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Curator’s Choice — Während dreier Jahre, von 2000 bis 2003, machte das Künstlerpaar Eva und Franco Mattes seinen persönlichen Computer öffentlich über das Netz zugänglich. «Now you’re in my computer» wurden die Neugierigen begrüsst und konnten etwa Bankauszüge, Mails, Texte einsehen und kopieren. Das Eindringen in den intimen Ort des Computers von jemand anderem geschah in Echtzeit – während die Künstler neben dem blinkenden Server schliefen, las beispielsweise oft schon jemand die E-Mails, die sie erst am nächsten Morgen sehen würden. Während eines Jahres von ‹Life Sharing› trug das Künstlerpaar zudem einen GPS-Tracker und publizierte den jeweiligen Aufenthaltsort (damals technisch noch ein anspruchsvolles Unterfangen) und zeichnete während einiger Zeit alle Telefongespräche auf. Die Arbeit ‹Life Sharing› steht in der Tradition einer Performancekunst, in der sich Künstlerinnen und Künstler dem Publikum ausliefern, und verbindet dies mit verschiedenen Aspekten des Hacking-Diskurses und dem Zeitgeist des WWW um das Jahr 2000, etwa Anti-Copyright oder damals schon virulente Fragen der Privatsphäre. «Wir haben den klassischen Hacker-Slogan ‹Information wants to be free› genommen und versuchten danach zu leben und die Konsequenzen zu entdecken», sagen Eva und Franco Mattes über ihre bahnbrechende Arbeit. Nun ist ‹Life Sharing› in restaurierter Fassung wieder zugänglich. Gleichzeitig lancierten Eva und Franco Mattes ihre neuste Arbeit ‹Riccardo Uncut›, die aus Tausenden privater Fotos besteht, welche die Künstler nach einem Aufruf auf Social Media einem Smartphone-Nutzer für 1000 $ abgekauft hatten. Viele der bereits in ‹Life Sharing› angelegten Fragen werden hier fast 20 Jahre später neu gestellt. Auf dem Computer von damals gab es kaum Fotos, es war die Zeit vor Smartphones und Social Media; alle Daten waren frei kopierbar. Heute führen viele ein öffentliches digitales Leben, teilen Intimes über Fotos, Videos und Texte. Nicht nur Netzgiganten wie Google oder Facebook verdienen dabei und werten unser Verhalten im Netz im Hintergrund aus, auch die Geheimdienste schreiben ohnehin mit.

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Digital Art
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