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«Ich bin schüchtern, aber wenn du mich einmal kennengelernt hast, wirst du herausfinden, dass ich einfach eine nette Person bin, die die kleinen Dinge im Leben zu schätzen weiss.» So beschreibt sich User Nummer 39838354 in seinem Online-Partnerbörsen-Profil. Kennenlernen wollen uns online nicht nur potenzielle Lebensabschnittspartnerinnen und -partner, sondern auch die grossen Firmen hinter den Services, die wir vermeintlich kostenlos nutzen. Sie kennen uns durch das Tracken und Auswerten unseres Online-Verhaltens besser als mancher Liebhaber und bräuchten dazu nicht mal ein detailliert ausgefülltes Dating-Profil wie das des oben zitierten Users, der auch Ausbildung, Grösse, Beruf, sexuelle Vorlieben und so weiter angegeben hat. Je mehr Dinge wir an kommerzielle, Algorithmus-basierte Systeme delegieren – Musikvorlieben, Freundschaft, Liebe – desto mehr und ­feinere Profile entstehen. Während wir Liebes­geschichten oder Zerstreuung suchen, suchen die Algorithmen stets auch potenzielle Partner für unsere Aufmerksamkeit als Werbekunden. Doch nicht nur unsere Aufmerksamkeit wird zielgerichtet verkauft, im Fall der Dating­sites auch die ganzen Profile inklusive Fotos, ­E-Mails, Klarnamen und weiterer intimer Details. Das Kleingedruckte macht dies möglich. So ist es üblich, neue Datingseiten erstmal mit einigen Millionen eingekaufter Profile zu bevölkern. Joana Moll und Tactical Tech haben für ihr neues Projekt ‹The Dating Brokers› eine Million Profile ersteigert, zum bescheidenen Preis von € 136. Anonymisiert sind sie im Projekt zugänglich, geordnet nach Kategorien wie Sprache oder Religion. Mittels Metadaten der Bilder konnte der Ursprung der Daten auf der populären Plattform ‹Plenty of Fish› eruiert werden. Die Seite gehört dem Branchenriesen Match Group, der u. a. auch Tinder und 130 weitere Partnerbörsen besitzt, unter denen Profile gemäss Nutzungsbedingungen ausgetauscht werden können. Datenoligarchen nennt Moll die Firma im Begleittext. Die Arbeit betrifft Grundfragen unseres digitalen Lebens: Wie viel geben wir von uns Preis, wie viel Kontrolle über diese Daten haben wir, welche Lebensaspekte lassen wir warenförmig werden, was delegieren wir an Algorithmen? – Weil es uns unterhält, weil es bequem ist, weil es keine Alternativen zu geben scheint oder weil wir die Liebe zu finden hoffen. 

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