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Curator’s Choice — Wie bei einigen der politisch denkenden Köpfe der Post-Internet-Generation hat sich die Tätigkeit von Joshua Citarellas von der bildenden Kunst ins Essayistische erweitert, etwa für das empfehlenswerte Online-Magazin-Experiment Newmodels.io. Die Methode des Zusammentragens, Dekontextualisierens und Veränderns vorgefundener Inhalte aus verschiedenen Ecken des Netzes bleibt dabei die Grundlage, nun aber kommentiert und mit Vermittlungsanspruch. Ein Wendepunkt ist die Rolle, welche die Meme-Kultur beim Erstarken der Alt-Right und der Wahl Trumps gespielt hat. Citarella und andere, die sich seit langem als «Künstlerinnen und Künstler, also Bildermachende und Kultur-Forschende» (Citarella) in Netz-Subkulturen auskannten, stellten eine Politisierung selbiger fest. Ebenso merkten sie, dass viele Bekannte, gerade aus der Kunstwelt, keine Ahnung davon hatten, wie diese Memes entstehen, bspw. dass die meisten von jungen Teenagern kreiert werden. ‹Politigram & the Post-Left› entstand Ende 2018 als Buch in Kleinstauflage für diese Kunstwelt-Bekanntschaften. Ein einziges Exemplar gelangte in ­eine Buchhandlung, wurde von einem Politigram-Szene-Mitglied gekauft und ins Netz gestellt, wo es schnell Verbreitung fand und kontrovers diskutiert wurde. ‹Politigram› steht für verschiedene Szenen politisch Radikaler auf Instagram. Die Accounts werden meist von Jungs zwischen 12 und 17 Jahren betrieben, die sich auf der Basis halbverdauter Theorie mit Memes und Diskussionen austauschen und bekämpfen. Eigen ist ihnen ein immer wieder neues, oft widersprüchliches Selbstdefinieren. Citarella, immer aus der US-Perspektive, beobachtet dabei eine Radikalisierung, etwa vom Anarchokapitalismus hin zu autoritärem Rechtsextremismus oder von Bernie-Sanders-Sozialismus zum Anarcho­primitivismus, der zurück zu einer vortechnologischen Welt will. Schnell verlor Citarella die anfängliche Hoffnung, eine Kultur zu finden, welche die Linke vereinen könnte – wie es die Online-Alt-Right erfolgreich bei der Trump-Wahl tat. Stattdessen lässt er uns teilhaben an seinem Eintauchen in eine nihilistische Szene, die sich nicht mehr hinter einer positiven Utopie vereint, sondern sich – angesichts von Klimakatastrophe, Rechtsextremismus und brutalem Neoliberalismus – scheinbar nach der grossen Zäsur sehnt. Citarellas Analyse bleibt skizzenhaft, doch der Einblick, den er uns mit viel Bildmaterial ermöglicht, ist faszinierend und bedrückend. 

→ Digitales Projekt des Monats: Der Medien­kurator stellt ein Projekt seiner Wahl vor.
↗ http://joshuacitarella.com/_pdf/Politigram_Post-left_2018_short.pdf

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