Wortwasserfall
Wortwasserfall
Pierre Haubensak (*1935) / Stadtbibliothek Winterthur / «Wortwasserfall» / Wandmalerei
Auf Betonwänden, Buchstaben-Codes
Da! Es fallen Geschichten hier
Ich, Klängen lauschend, meine Neugier ohne Pause
quasi rauschhaft, schreibe Texte und
verliere, verlaufe
wortwasserfallend, x y
zerfliesse.
Ich lasse mich davontreiben, folge den Worten in der Geschichte. Über fünf Stockwerke, im Kirchturmzifferblattblau, schwimmen, fliessen, wirbeln die Buchstaben. Kreuz und quer an der Wand, bedeuten je nach Perspektive etwas anderes, etwas Eigenes, ein Rausch aus Stimmen aus Worten aus Klang. Ich werde hineingezogen in diesen Wirbel, will mich auf den Rücken legen und meine Hände und Füsse von mir strecken, will mich treiben lassen. Will abdriften, wegdriften, in der Geschichte verloren gehen. Ich will abtauchen in andere Welten, in andere Klanglandschaften und Stimmungen. Ich verliere mich zwischen den Zeilen, vergesse Raum und Zeit, finde und erkenne mich wieder in einer anderen Stimme. Ich denke in Bildern und spiele mit Worten, die Leselust packt mich. Das Rauschen des Wortwasserfalls und der Gedanken lässt mich den Stimmen und den Texten lauschend, innehalten. Wir könnten einfach hierbleiben, scheiss auf Öffnungszeiten! Komm wir übernachten in der Bibliothek! Ich will nicht Lichter löschen, ich will weiterlesen! Unter der Decke! Mit der Taschenlampe!
In der Stadtbibliothek Winterthur lässt sich zwischen Romanen und Tageszeitungen, Comics und Bild- und Tonstudio auch ganz gut im Treppenhaus verweilen, um den Wasserfall aus Worten zu bestaunen. An die Wand gemalt fallen die Buchstaben vom fünften Stock bis ins zweite Untergeschoss und laden die Besucher:innen ein, selber Worte zu bilden und je nach Stockwerk neue zu erkennen. Livia Kozma
Pierre Haubensak |