«Stand der Dinge 1» in den Kunst-Werken
«Mich hat die Kasseler Erfahrung gelehrt, dass man radikal die Positionen ausstellen muss, die für einen selbst die Welt sichtbar machen. Dies habe ich jetzt in Berlin beherzigt», sagte Catherine David zur Eröffnung der Ausstellung «Stand der Dinge 1».
«Stand der Dinge 1» in den Kunst-Werken
Für ihre erste Schau nach der documenta X 1997 wählte sie elf Künstler aus, die sich mit dem Alltag in Krisengebieten wie Westbank, Beirut, Jerusalem, Johannesburg oder mit der Fremd- und Selbstwahrnehmung aussereuropäischer Kulturen beschäftigen. Dabei liegen die Repräsentationsweisen weniger in Traditionen der Kunst als im Autorenjournalismus und in der Ethnografie mit ihren künstlerischen und literarischen Referenzen und ihrer Neigung zur Fallstudie. Sachlich, wenn auch nicht qualitativ, bieten sich Vergleiche an mit Dokumentaristen wie Hermann Burchardt, Barbara Klemm und Sebastian Salgado im Medium Fotografie und mit Michael Oppitz und Chris Marker im Medium Film. Darin liegt Davids polemischer Akzent. Auch in der Kunst möge man sich mit dem Transportierten, nicht nur mit dem Transport beschäftigen, Inhalte gleichberechtigt gegenüber Formfragen behandeln. Die Schau stellt Jean-François Lyotards Frage angesichts Barnett Newmans emphatischem «Now!» mit profanem Blick auf die Gleichzeitigkeit alltäglicher Abläufe ausserhalb der Kunstgebiete. Nicht das pure «Dass etwas geschieht, ist die Frage als Ereignis», sondern was geschieht. Um den Tatbeständen im weissen Kubus repräsentativ Geltung zu verschaffen, bedarf es aber eines Hochgrads an Intensität in der Durchdringung der behandelten Gegenstände. Diese Dichte ist selten. Die Schau zeigt eine Tendenz, kein exemplarisches Resultat.Doch in der gebotenen Konstellation stechen Arbeiten heraus. Die dreiteilige Video-Installation «This is not Egypt» von Mauricio Dias und Walter Riedweg dokumentiert in einprägsamen Einstellungen Stereotypen, Verfremdungen, Idealisierungen aus Ägypten. Ariella Azoulay analysiert in einem Video die Differenzen zwischen Mord, Totschlag, Eliminierung anhand dreier Fälle in Israel und führt vor, wie in wissenschaftlicher, juristischer oder politischer Verwendung Täter und Opfer in je verschiedenem Licht erscheinen. Walid Ra’ad brachte aus einem Archiv in Beirut Abbildungen von Autos mit, die zwischen 1975 und 1990 mit Sprengsätzen präpariert und als Bomben eingesetzt wurden. Harun Farocki zeigt in einer Doppelprojektion den Tagesablauf im Hochsicherheitsgefängnis, legt dar, wie das Kontrollsystem funktioniert, parallelisiert es mit Kamerasystemen in Supermärkten, verwendet verschiedene Tempi und lockert die Spannung auf durch Zitate aus der Stummfilmzeit. Aus Archiv-Schnipseln ist ein kleines Meisterwerk entstanden – mit schielendem Blick in Anführungszeichen: passionierte Mikrophänomenologie mit ästhetischer Dimension und öffentlicher Bedeutung. Wie bei Paola Salerno, in deren Fotoreihe Frauen und Männer auf einer Strasse in Kalabrien die Köpfe heben und in den Himmel horchen wie die Frauen und Männer bei Piero de la Francesca. Man versteht ihre Beziehung zum Ort, ohne sie teilen zu müssen.
Institutionen | Land | Ort |
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KW Institute for Contemporary Art | Deutschland | Berlin |
Ariella Azoulay |
Mauricio Dias |
Harun Farocki |
Walid Ra'ad |
Walter Riedweg |
Paolo Salerno |
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Peter Herbstreuth |