«ctrl space - Rhetorik der Überwachung von Bentham bis Big Brother» im ZKM
Die Ausstellung thematisiert – angeblich weltweit erstmalig – das System der Überwachung in seinem komplexen Geflecht medienwissenschaftlicher und künstlerischer Fragestellungen. Versammelt sind Videos, Closed-Circuit-Installationen, Fotografien, Roboter – und Online-Arbeiten von über fünfzig Künstlern. Gefragt ist hier nicht mehr der gebildete Flaneur, sondern ein Rezipient, der den schnellen aber bewussten Wechsel zwischen Voyeur und Komplize zu vollziehen vermag.
«ctrl space - Rhetorik der Überwachung von Bentham bis Big Brother» im ZKM
Der theoretische Anspruch des ehrgeizigen Unternehmens, das der Kultur- und Medienwissenschaftler Thomas Y. Levin für das ZKM kuratierte, wird deutlich durch den zentralen Hinweis auf den britischen Philosophen und Utilitaristen Jeremy Bentham und dessen Idealkonzept eines völlig neuartigen Gefängnisses von 1787/1791. «Das Neue an diesem Bau war», so ein Ausstellungstext, «dass sich von einem zentralen Punkt aus alle Insassen beobachten liessen, diese jedoch nicht in den Turm hineinsehen konnten. Da die Gefangenen deswegen nie mit Sicherheit wissen konnten, ob sie tatsächlich überwacht werden, wurde hier die tatsächliche Überwachung durch die Möglichkeit des Überwachtwerdens ersetzt.» Diesen verinnerlichten «Kontrollblick» verstand Bentham offenbar als «Beitrag zur Erziehung des Menschen im Sinne der Aufklärung».
Sowohl mit Jonas Dahlbergs Videoprojektion einer Kamerabewegung um 360° «Horizontal Sliding», 2000, wie mit der mehrteiligen Arbeit von Rem Koolhaas, «Project for the Renovation of a Panoptic Prison», 1979, wird der Bezug zur Gegenwart geschaffen, womit nebenbei auch auf Michel Foucaults Untersuchungen zur Disziplinargesellschaft hingewiesen wird. Für Künstler, deren Thema das Subjekt innerhalb machtbesetzter Strukturen ist, ist jede Form der Überwachung, ihre Praktiken und Transformationen schon länger virulent. Dies zeigt sich daran, dass zu den stärksten Arbeiten der Ausstellung nicht zuletzt die frühesten Beispiele gehören, wie Dan Grahams «Yesterday/Today», 1975, Bruce Naumans «Video Surveillance Piece», «Public Room/Private Room», 1969/70, oder Andy Warhols «Outer and Inner Space», eine Doppelvideoprojektion von 1965. Das glatte Gegenteil solch früher ökonomischer Projekte ist die Arbeit «face/value», 2001, von Peter Cornwell, eine «Computerkunstarbeit», die zeitgestempelte Bilder der Besucher auf fortlaufende Papierstreifen druckt – ein Aufwand, über den sich bestenfalls noch das Aufsichtspersonal ärgert.
Im Ganzen ist die Ausstellung nicht nur als ein Instrument der Aufklärung zur Geschichte der Überwachung, sondern auch als ein Archiv zu betrachten. Was man aus Original-StasiÜberwachungskameras in Wettergehäusen machen kann, illustriert eine Arbeit von Ange Leccia «Arrangement Stasi», 1990, auf humorvoll museale Weise. Den Ernst der Lage innerhalb eines tatsächlichen konspirativen Alltags hingegen belegen kurze Filme aus dem Archiv des Staatssicherheitsdientes der ehemaligen DDR. Wir wissen heute, dass das System der Überwachung technisch hoch entwickelt ist und die operativen Möglichkeiten durch computergestützte Verknüpfungen so gross wie noch nie. Gleichzeitig wissen wir, dass im zentralen Turm von Jeremy Bentham niemand sitzt, was das Leben jedoch nicht leichter macht. Umso wichtiger ist der aufgeklärte Blick.
Institutionen | Land | Ort |
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ZKM Zentrum für Kunst und Medien Adlershof | Deutschland | Berlin |
Ausstellungen/Newsticker | Datum | Typ | Ort | Land | |
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CTRL Space - Rhetorik der Überwachung v. Bentham bis Big Brother | 13.10.2001 – 24.02.2002 | Ausstellung | Karlsruhe |
Deutschland DE |
Jeremy Bentham |
Peter Cornwell |
Jonas Dahlberg |
Dan Graham |
Rem Koolhaas |
Ange Leccia |
Bruce Nauman |
Andy Warhol |
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Claudia Pohl |
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