Wonderwalls?

Monica Bonvicini (*1965 in Venedig; Studium in Berlin und Los Angeles), lebt und arbeitet in Berlin und Los Angeles.

Monica Bonvicini (*1965 in Venedig; Studium in Berlin und Los Angeles), lebt und arbeitet in Berlin und Los Angeles.

What Does Your Wife/Girlfriend Think of Your Rough and Dry Hands?, 1999
Fragebögen in Deutsch, Englisch, Italienisch, Spanisch, je A4 Seiten, gerahmt, 7:30h, 1999, Kalksteine und Mörtel, 100 x 136 x 61,5 cm/350 x 36,5 x 36,5 cm/83 x 161,5 x 86,5 cm;
Courtesy chouakri brahms Berlin

What Does Your Wife/Girlfriend Think of Your Rough and Dry Hands?, 1999
Fragebögen in Deutsch, Englisch, Italienisch, Spanisch, je A4 Seiten, gerahmt, 7:30h, 1999, Kalksteine und Mörtel, 100 x 136 x 61,5 cm/350 x 36,5 x 36,5 cm/83 x 161,5 x 86,5 cm;
Courtesy chouakri brahms Berlin

Fokus

Monica Bonvicini untersucht in ihrer künstlerischen Arbeit die so vielschichtigen wie oberflächlichen Beziehungen von Architektur, Sexualität und Macht. Die männliche Domäne Architektur lädt sie in ihren Fotos, Videos, Installationen, Zeichnungen und Plakaten immer wieder mit weiblicher Sexualität auf und dekonstruiert dabei Klischees, Logiken und Repräsentationsweisen einer phallozentrischen Weltsicht. Die Wand, als trennendes, aber auch verbindendes Element, steht hier fast zwangsläufig oftmals im Zentrum der ästhetischen Untersuchung.

Wonderwalls?

Über die Architekturbefragung von Monica Bonvicini

«I believe in the skin of things as in that of women.» Mit dieser nicht unchauvinistischen Bemerkung des legendären Architekten, Städteplaners und Malers Le Corbusier betitelte Monica Bonvicini 1999 ihre Präsentation auf der damaligen Venedig Biennale. Ihre Arbeit bestand aus einem kleinen, begehbaren, weissen Raum, einem «white cube» gewissermassen, auf dessen sterile Wände die Künstlerin Karikaturen gezeichnet und Sätze berühmter Baumeister geschrieben hatte. Da steht dann etwa neben einem nackten Mann mit erigiertem Glied «A window is a man, it stands upright», ein Zitat des französischen Architekten Auguste Perrets. Oder ein seltsam artistisch-erotischer Akt wird mit der Sentenz «A horizontal line: the reclining woman. A vertical line: the man who penetrates her» aus Adolf Loos’ «Ornament und Verbrechen» kommentiert. So zeigt Monica Bonvicini überaus deutlich die männlich geprägte Ideologie der modernen Architektur sowie deren sprachliche Verwurzelungen auf. Und die Künstlerin liefert die feministische Kritik prompt mit: «Cut your dick and eat it», zitiert sie nämlich auch die postmoderne Architektin Zaha Hadid, daneben die Zeichnung einer dominanten Frau und ihr arg schmächtiger Mann. Zudem sind die weissen Wände in dieser Rauminstallation an verschiedenen Stellen durchlöchert, die Brüchigkeit der beschriebenen phallozentrischen Konstruktionen von Welt wird so ganz konkret suggeriert.


Der letzte Tango
Auch in Bernardo Bertoluccis Meisterwerk aus dem Jahr 1972 spielen die Wände eines white cube, der hier als «Liebesnest» in Form einer leer geräumten Wohnung in Szene gesetzt wird, eine entscheidende Rolle, beispielsweise dann, wenn Maria Schneider zur Masturbation an einer planen Wandfläche ansetzt, um Marlon Brando in seiner «Männerehre» zu kränken. Ein vergleichbares Bild wählt Monica Bonvicini in ihrer Videoinstallation «Wallfucking», 1995/96: Eine schlanke Frau befriedigt sich scheinbar an einer Mauer, diesmal an einem Mauervorsprung, in aller Ruhe selbst. Auf und ab geht ihre Bewegung, vergleichbar dem hoch und runter der männlichen Hände beim Onanieren. Doch die Einstellung Bonvicinis ist einerseits in ihrer radikalen Fokussierung aggressiver, quasi gnadenloser als die beschriebene Szene aus «Der letzte Tango» und andererseits anonymer – das Gesicht der jungen Frau ist nie zu sehen. So wird tendenziell jedwede Identifikation mit dem, wie der amerikanische Kritiker Joshua Decter in seinem Text «Der Bonvicini-Faktor» bekennt, «erotisch-libidinös ansprechenden» Geschehen verhindert. Vor allem aber ist das «Wallfucking» der bildenden Künstlerin medial gebrochen. Als Raum im Raum nämlich stellt Bonvicini ihr Video in den Ausstellungsraum, gezeigter und tatsächlicher «white cube» werden kurzgeschlossen. Die Kritik an Architektur ist so eben auch eine an der Raumordnung in der Welt der Kunst. Diese mediale Brechung leistet zudem, dass die vorgestellte Masturbation einer, angeblich für Frauen so typischen, unmittelbaren Emotionalität entledigt wird. Wichtig in dieser Hinsicht auch, dass es sich bei der gezeigten Frau nicht um die Künstlerin selbst handelt. Statt sich performativ zu verausgaben, hat sich Monica Bonvicini in immer noch vorrangig von Männern besetzten Rollen betätigt: als Regisseurin, Kamerafrau und Produzentin.


Wandarbeit mit Köpfchen
Wände sind, man vergisst es manchmal allzu leicht, nicht naturgegeben. Sie werden gebaut. Von wem? In unserem Kulturkreis jedenfalls vornehmlich von Männern. Also hat Monica Bonvicini in ihrer Arbeit «What Does Your Wife/Girlfriend Think of Your Rough and Dry Hands?», 1999, Fragebögen an Bauarbeiter in Berlin, Wien, Mailand, Bergamo, Santa Fe und Los Angeles verteilt. Auf ihnen sind in der jeweiligen Landessprache dreizehn Fragen gestellt, beispielsweise die im Titel der Arbeit benannte. Oder: «Warum haben Sie diesen Job gewählt» und «Wie kommen Sie mit ihren homosexuellen Kollegen zu recht?» Die Bögen mit den handgeschriebenen Antworten auf diese indiskreten Fragen wurden dann, vergleichbar vielleicht einer Präsentation von Hanne Darboven, in gleichförmiger Reihe an die Wände ihrer Berliner Galerie gehängt. Beinahe beiläufig zeichnete die Künstlerin hier ein subtiles Psychogramm der Befragten und knüpfte wie selbstverständlich an die Tradition der Concept-Art an, die sie allerdings narrativ auflädt, beziehungsweise aufweicht. In der Mitte des Raumes standen dann Mauern aus weissen Ziegelsteinen, die mit ihrer abstrakten, kruden Form an Werke der Minimal-Art erinnerten. Tatsächlich aber handelte es sich bei dieser Arbeit «7:30 h», 1999, um Aufgaben, die bei einer Abschlussprüfung von Bauarbeitern zu absolvieren sind. Geadelt durch den Galerieraum verwandeln sich diese «Skulpturen» im Handumdrehen zu cleanen, fast schon auratischen Artefakten. So gelingt es Monica Bonvicini auf unterschiedlichen Levels Kopf- und Handarbeit miteinander zu vermitteln: Kunst, ihre jüngere Geschichte und das so genannte «richtige Leben» werden dabei geschickt kurzgeschlossen, um dadurch den konstruierten, also auch zu verändernden Charakter beider Betriebssysteme aufzudecken. Ideologiekritik ereignet sich nicht als theoretisches Konstrukt, sondern tritt gesättigt mit der alltäglichen Erfahrung der Betroffenen auf den Plan. Betroffene treten in Aktion und Reflexion, ihre Rolle als «Täter» beziehungsweise «Opfer» ist nicht mehr eindeutig fest zu machen.


Wandgerecht?
«Stone Wall», 2001, eine der letzten Arbeiten der Künstlerin, setzt sich wiederum mit dem Verhältnis von Raum, Abgrenzung und Sexualität auseinander. Deutlich zitiert Bonvicini mit dieser Installation die Formensprache ihrer amerikanischen Kollegin Cady Noland: Ein Teil des Ausstellungsraumes ist mit einer Absperrung aus Metall, bruchsicherem Glas und stählernen Ketten – klammheimlich kommt eine erotische Komponente in dieses Enviroment – verbarrikadiert worden. Bei der metallenen Absperrung handelt es sich übrigens um genau die gleichen Teile, wie sie in den USA von der Polizei bei politischen Demonstrationen zur Abriegelung von Strassen genutzt werden. Anders als eine, vom Titel her eigentlich zu erwartende Steinmauer, wie sie 1999 noch in «7.30 h» zu sehen war, erlaubt diese auf den ersten Blick luftige Absperrung den Blick in den dahinter liegenden Raum und evoziert so den Charakter von Transparenz. Schon Adolf Loos sprach bekanntlich von der «glasharten Lüge der Schaufenster»: Sie versprechen die problemlose Verfügbarkeit der verführerisch ausgestellten Waren, verhindern diese im selben Moment aber konsequent. Das Glas in «Stone Wall», 2001, erzählt mit seinen deutlich sichtbaren Sprüngen von den Versuchen, diese «glasharte Lüge» Lügen zu strafen – doch das Sicherheitsglas behält auch bei solcher Beschädigung noch seine gnadenlose Undurchdringlichkeit. Scheinbare Offenheit und tatsächliche Grenzziehungen also werden hier verhandelt. Genau dies nämlich ist eine Spannung, die in der scheinbaren Liberalität des «Neoliberalismus» ebenso auf der Tagesordnung steht wie bei der zurzeit angesagten vermeintlichen Toleranz allen möglichen Sexualpraktiken gegenüber.


Letztlich aber dienen die allerorten propagierten Scheinfreiheiten und Lustversprechen dazu, HERRschaft um so unumstösslicher zu organisieren. Schon Michel Foucault hatte parallel dazu den Wandel von der Disziplinar- hin zur Kontrollgesellschaft verbunden mit einerseits dem Primat des Visuellen und andererseits mit der lustspendenden Durchdringung der Macht mit dem Körper eines jeden: Man muss die Macht «als ein produktives Netz auffassen, das den ganzen sozialen Körper überzieht, und nicht so sehr als negative Instanz, deren Funktion in der Unterdrückung besteht», schreibt der französische Kulturkritiker dann auch in seinen «Dispositiven der Macht». Monica Bonvicinis Kunst verortet sich derzeit exakt an dieser Schnittstelle.

Ausstellungen/Newsticker Datum Typ Ort Land
Monica Bonvicini 10.03.200221.04.2002 Ausstellung Lübeck
Deutschland
DE
Künstler/innen
Monica Bonvicini
Autor/innen
Raimar Stange

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