Monica Bonvicini und Sam Durant in der Secession

Monica Bonvicini/Sam Durant · Break it/Fix it, in Situ, Secession 2003

Monica Bonvicini/Sam Durant · Break it/Fix it, in Situ, Secession 2003

Besprechung

Beide thematisieren mit ihren Werken die Architektur der Moderne, beide gehen dabei zitierend-kritisch vor: Monica Bonvicini, in Italien geboren und in Berlin lebend, und Sam Durant, in Seattle geboren und in Los Angeles lebend. In der Wiener Secession präsentieren sie jetzt eine labyrinthische Gemeinschaftsinstallation: «Break it fix it».

Monica Bonvicini und Sam Durant in der Secession

Der Hauptraum der Wiener Secession ist komplett verbaut. Diesmal ist es weder ein ausgeklügeltes Stellwandsystem noch eine in Kapitel eingeteilte Werkgeschichte. Es ist wohl eine Metapher: Aus Wänden und Freiflächen, Metallgittern, Kammern und Glaseinbauten entwarfen Bonvicini und Durant ein Gangsystem, das auf dem Wort «Cage» basiert.

Den Zusammenhang erklärt ein Zitat, dass laut Pressetext aus der Feder Ludwig Wittgensteins stammt: «Anrennen gegen die Grenze der Sprache? Die Sprache ist ja kein Käfig» und «Das Anrennen gegen die Wände unseres Käfigs ist völlig und absolut aussichtslos». Lassen wir die Sätze so zusammenhanglos wie sie vorgegeben sind und fragen, gegen welche Wände wir also aussichtslos rennen.

Zunächst scheint die Antwort sehr einfach: Hier stehen sich zwei Wirklichkeiten gegenüber, die der Sprache und der Architektur. Aber tatsächlich ist dieser «Käfig» nicht aus Worten, sondern aus Baumaterialien gebildet, zwar im Grundriss von Buchstaben, aber als solche nicht zu erkennen. Dazu müsste man einen Raumüberblick erhalten -oder einen Blick auf die Zeichnung im Katalog werfen. Im Gang sind lauter bildliche und sprachliche Zitate: Dan Grahams Glaspavillons, Gordon Matta-Clarks Wanddurchbrüche, auf den Wänden Sätze von Architekten wie Peter Eisenman. Der Käfig besteht also aus einem Geflecht von Zitaten, Architektur, Baumaterialien und Buchstaben. Wo aber befinden wir uns in diesem Gewirr?

Zwar ist die Wiener Secession ein klassisches Jugendstil-Gebäude, die Innenräume allerdings wurden in den achtziger Jahren renoviert, der Hauptraum erhielt einen strengen, symmetrischen Grundriss, der jetzt von dem «Käfig» verdeckt ist. Monica Bonvicini ist bekannt für ihre Installationen und Zeichnungen zum Thema «Sexualsymbolik der Architektur». Sam Durants Werk zeichnet sich durch eine Vielfalt an Materialien, Medien und Bezügen aus, die von der Geschichte des Rock ’n’ Roll bis zur US-amerikanischen do-it-yourself-Moderne reichen und ebenso wie Bonvicini subtile bis brachiale Angriffe gegen die Prinzipien des internationalen Stils enthalten. Auf einem Video in der Secession sehen wir Bonvicini und Durant, wie sie nachdenklich auf die ein Meter grossen Holzbuchstaben «ANGST» schauen, diese dann gemeinsam zertrümmern, die Splitter betrachten und aus den Resten die Buchstaben «FEAR» bauen. Die Secessionausstellung betiteln Bonvicini/Durant mit «break it fix it», was sich hier im Video leicht verstehen lässt und auf die «Cage»-Wände übertragen ähnlich angewandt werden kann. Allerdings wird im Hauptraum der Secession noch zusätzlich die strenge Architektur «gebrochen» und in einem neuen System wiederhergestellt. Dabei wird auch in der Installation eine Ordnung aufgestellt, gestützt auf Wittgenstein, legitimiert durch Zitate und Einbrüche.

Noch einmal zur Frage, wo wir stehen. Am liebsten ist mir die Sicht, dass wir uns hier im Käfig der Moderne befinden. Die Wände des Käfigs brechen langsam auf oder durch, aber noch werden sie wieder und wieder fixiert – und sei es nur durch Modernismus-Kritik.

Bis 
31.01.2004

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