David Willens «Verbotene Früchte» bei Bob Gysin

David Willen · Verbotene Früchte, 2005, Foto

David Willen · Verbotene Früchte, 2005, Foto

Besprechung

In seinem neuesten Fotoprojekt erschliesst David Willen den Bestand eines Depots konfiszierter Kulturgüter und versetzt uns in den Bann von exotischen Kult- und kunsthandwerklichen Objekten. Die Faszination der Fotografien ist nicht zuletzt einer überdimensionierten und unterbelichteten Darstellungsweise zu verdanken.

David Willens «Verbotene Früchte» bei Bob Gysin

Man glaubt einen Blick in zwielichtige Schattenwelten zu werfen. Von weitem leuchten Lichtreflexe auf Elefantenzähnen, schillert grün-irisierend der Schuppenpanzer eines Aligators, fletschen uns die blossgelegten Zähne einer exotischen Maske an, und der Betrachter fühlt sich magisch angezogen. So schwarz sind die grossformatigen Fotografien, dass man zuweilen nahe herangehen muss, um die Motive genau zu erkennen. Da lösen sich ostasiatische und afrikanische Masken aus dem schwarzen Hintergrund und Reptilien, die in einer Bewegung erstarrt sind. Ein japanisches Liebespaar ist in Kamasutra ähnlichen Stellungen ineinander verschlungen. Die Objekte stammen aus dem Depot konfiszierter Kulturgüter des Bundesamtes für Veterinärwesen. Es erstaunt, dass die Artefakte, die meist von unbekannter Hand stammen und in verschiedenen Ländern und Zeiten hergestellt worden sind, gerade hier gelandet sind. Diesen Bestand also hat der Schweizer Fotokünstler David Willen in quasi wissenschaftlicher Weise nach äusseren Kriterien erfasst und kategorisiert. Die Objekte hat er sodann vor einem schwarzen Hintergrund dramatisch ausgeleuchtet und sie mit einem Ringblitz, der keine Schatten wirft, fotografiert. Dadurch kommen die Formen und Details ungemein plastisch zur Geltung und die verschatteten Objekte gewinnen ein unheimliches Leben. Angesichts einer solchen Wirkung käme man kaum auf die Idee, dass die Reptilien in Wirklichkeit ausgestopft und die erotischen Keramikfiguren nur fünf Zentimeter hoch sind.

Die Fotografien evozieren in ihrer Schärfe und ihrer magischen Präsenz die lebensgrossen Fotoporträts von historischen Wachsfiguren des japanischen Künstlers Hiroshi Sugimoto (*1948), der diesen mit puristischen Schwarzweiss-Aufnahmen eine verblüffende Realität verleiht. Der Vergleich mit Sugimoto ist auch in Bezug auf das serielle Arbeiten gegeben: So hat David Willen (*1968 in Bern) seit 2001 die grossformatigen Fotoserien "Fluchten I und II" und "Donau" geschaffen. "Fluchten" zeigen Raumfluchten von endlos langen Bürogängen, Tunnelautobahnen, Lagerhallen und Rolltreppen von Subways, die alle in einer exakt vermessenen Zentralperspektive entstanden sind. Dadurch wird der Blick sogleich vereinnahmt und sogartig in die Raumtiefe geschleudert. Ungeheuer beklemmend wirken diese Raumfluchten, umso mehr als sie menschenleer sind und damit einen Fluchtreflex auslösen.

Im Gegensatz zu diesen bedrückenden Metaphern kafkaesker Raumsituationen, erfährt man in den Donaulandschaften eine wohltuende Weite. Uferlose Zonen lassen den Tiefenraum sich verflachen und münden in ein nahezu gegenstandsloses träges Fliessen, das sich nur noch durch den bildmittig angesetzten Horizont vage verorten lässt. Schon hier hat sich Willen von der rein dokumentierenden Sichtweise auf die Dingwelt gelöst und Bilder produziert, in denen sich das rein Faktische auf poetische Dimensionen geöffnet hat. Vergleichsweise gewinnen die in einem Depot ruhenden, namenlosen Artefakte durch Überdimensionierung und Unterbelichtung etwas Geheimnisvolles, eben den Touch von etwas Verbotenem.

Bis 
27.02.2006
Institutionen Land Ort
Bob Gysin Schweiz Zürich
Autor/innen
Dominique von Burg
Künstler/innen
David Willen

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