Dawn Mellor, «Vile Affections»

Dawn Mellor · Bloodbath Dorothy, 2008, Öl auf Leinwand, 275 x 340 cm. Courtesy Team Gallery, New York

Dawn Mellor · Bloodbath Dorothy, 2008, Öl auf Leinwand, 275 x 340 cm. Courtesy Team Gallery, New York

Besprechung

Ein Gruselkabinett der besonderen Art präsentiert das Migros Museum mit Bildern der britischen Künstlerin Dawn Mellor. In klassischer St. Petersburger Hängung wird unter anderem der 120-teilige Porträtzyklus «Vile Affections» gezeigt, der mit herrlich bösartiger Wucht den Starkult demontiert.

Dawn Mellor, «Vile Affections»

Da sind die Reichen, Schönen und Berühmten porträtiert: zerstückelt, mit ausgerissenen Augen und Gliedern, zugenähten Lippen, mit Zündkerze im Mund oder gar geköpft. Nur wenige sind unversehrt. Es bereitet ein schaurig-schönes Vergnügen, die lädierten und entstellten Pop- und Filmstars, Politikerinnen und Politiker ausmachen zu können: von Michael Jackson, Gena Rowlands zu Margaret Thatcher, Condoleezza Rice, Hillary Clinton und vielen anderen mehr. Die Figuren, denen Mellor im Malakt Gewalt angetan, wirken gleichzeitig verführerisch und abstossend, bald Mitleid, bald Ekel erregend. Die respektlosen und oft obszönen Bilder untergraben die Ideale, für welche die Berühmtheiten stehen. Die vielfach grotesk verzerrten Gesichter wirken in ihrer expressiven Malweise trashig im besten Sinn, von intensiver Farbigkeit, die viel vergossenes Blut suggeriert. Während man spontan an Voodoo-Puppen erinnert wird, haben die gewalt- und pornografielüsternen Fantasien vielmehr mit der Stalker-Rolle zu tun, welche die Künstlerin während des Malens einnimmt. So kann sie mit den Stars verfahren, wie sie will, sie verfolgen, schänden und der Lächerlichkeit preisgeben. Jedenfalls enthüllt sie damit die dunkle Seite des Celebrity-Kultes,der auch in der Kunstszene Spuren hinterlässt. Als Kind aus der Arbeiterschicht ist Dawn Mellor besonders hellhörig für Hierarchien, die sich im Celebrity-Phänomen spiegeln. Nicht umsonst knüpft sie an die Geschichte der Porträtgalerie an, die besonders in Grossbritannien über eine lange Tradition verfügt. Denn als Symbol bourgeoiser Werte steht sie mit der typisch britischen Klassengesellschaft in engem Zusammenhang. Da die traditionellen Porträts gemeinhin mit Attributen versehen sind, verfährt Dawn Mellor analog und hat pikante Details und Symbole eingefügt. Dass Mellor neben der grotesken Dimension des Starkults an der tragischen Seite des Ruhms interessiert ist, zeigt sich im «Dorothy-Zyklus» - einer Synthese der vielfältigsten Bedeutungsebenen - mit Judy Garland als Dorothy aus dem Film «The Wizard of Oz», 1939. Die gutbürgerliche Dorothy ist hier mit Regan aus «The Exorcist» - die für die sexuelle Befreiung steht - in eine Liebesbeziehung gebracht, worauf der Ausstellungstitel «Vile Affections» anspielt. Gleichzeitig impliziert der Titel das Gefühl der Befriedigung, welches die Gesten der Demütigung an Berühmtheiten im Betrachter auszulösen vermögen; und man fühlt sich dabei ertappt. Dominique von Burg

Bis 
07.02.2009

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