Antonio Dias, «Anywhere is my Land»
Reliefartige, schreiend-bunte Assemblagen und radikal reduzierte Bilder zeigen die ungeheure Spannweite im Schaffen von Antonio Dias. In der ersten grossen Einzelausstellung des brasilianischen Künstlers in der Schweiz sind nun bedeutende Werke der Sechziger- und Siebzigerjahre zu sehen.
Antonio Dias, «Anywhere is my Land»
In jungen Jahren gefiel sich der brasilianische Künstler Antonio Dias (*1944) in lautstarken und machistischen Attitüden. Auf deftige und frivole Art thematisierte er Sexualität, Mord und Gewalt in bunten multimedialen Reliefs, die von einer comic- und popartigen Sprache geprägt sind. Später, nach seiner Flucht vor der Militärdiktatur in Brasilien, entwickelte er in Europa ein konzeptionelles malerisches Oeuvre, in dem er politische Themen mit persönlichen Eindrücken verquickte. Auch Gedanken zu Kunst und Ästhetik finden ihren Niederschlag. Schon in den Assemblagen ging es Dias um mehr als pure Reproduktion der Konsumwelt. Sie sind nüchtern, mal gerastert, mal schwarz und weiss gesprenkelt. Von den Bildflächen heben sich Linien, Kreuze, Herzen und Raster ab sowie verschiedene Begriffe wie «Army», «Energy» und «Memory» oder das verkehrt herum geschriebene Wort «Reality», das wahrnehmungsphilosophische Gedanken anklingen lässt.
Ganz eindrücklich ist das grossformatige Diptychon «Environment for the Prisoner: The Night/The Day», 1970, das uns die verzweifelte Zeit- und Raumlosigkeit in der Isolation eines Gefangenendaseins geradezu physisch spüren lässt. Auch «The Place», 1970, ein schwarz umrandetes, bräunliches Bild mit einem roten Kreuz in der Mitte, wirkt sehr beengend. Es bildet den grösstmöglichen Antipoden zum Ausstellungstitel gebenden Bild «Anywhere is My Land», 1968, das sich mit den hellen Punkten auf tiefschwarzem Grund in die Unendlichkeit zu öffnen scheint. Mit diesem Bild spricht Dias nicht nur seine Flucht an, sondern verweist auch auf das Schicksal des umherirrenden Migranten.
Gerne verwendet Dias diverse Materialien. In einer PVC-Folie sind Erde, Staub und Schutt verschlossen und mit «History» betitelt - nicht einfach ein Sack mit Steinen, sondern ein Überbleibsel der studentischen Strassenschlachten in Paris 1968, welches Dias als Zeugnis eines historischen Ereignisses in ein Kunstwerk überführte. Doch solche prägnanten, eindeutigen Werke bilden eher die Ausnahme, denn vielfach bleiben die Arbeiten rätselhaft. Zum einen, weil sie immer radikaler wurden, zum andern aus technisch-formalen Gründen. Dias verarbeitet Metalloxyde mit verschiedenen Bindemitteln, wodurch die Bilder metallisch glänzen und einen diffusen Umraum erzeugen. Dias hat immer versucht, «das Wesentliche auf einfache Weise zu vermitteln». So bleiben die Werke oft unbestimmbar, in konsequenter Weiterführung des Gedankens, dass «die wesentlichen Dinge unsichtbar sind».
Dominique von Burg | |
Antonio Dias |