Pierre Ardouvin, ‹L'évasion›

Pierre Ardouvin · Tout l'univers, 2004, Drehplatte, Tischtuch, Lampe, Käfig, Aquarium, Pflanze,
Durchmesser 150 cm, Courtesy Galerie Chez Valentin, Paris ©ProLitteris. Foto: Julie Langenegger

Pierre Ardouvin · Tout l'univers, 2004, Drehplatte, Tischtuch, Lampe, Käfig, Aquarium, Pflanze,
Durchmesser 150 cm, Courtesy Galerie Chez Valentin, Paris ©ProLitteris. Foto: Julie Langenegger

Besprechung

Mit seinen multimedialen Arbeiten verführt Pierre Ardouvin zu Täuschungen, um sie unmittelbar wieder zu entlarven. Er lockt die Besucher in eine Welt, die Erinnerungen und Emotionen weckt. Im Sinne von Guy Debords Schrift ‹Gesellschaft des Spektakels› ortet er das Wahre als einen Moment des Falschen.

Pierre Ardouvin, ‹L'évasion›

Man glaubt auf einen angeketteten Hund zu stossen. Doch beim zweiten Blick entpuppt sich das Objekt mit dem vielsagenden Titel ‹Ne me quitte pas›, 2006, als ein am Boden drapierter Pelzmantel. Andernorts möchte man sich in einem Sternenhimmel verlieren, währenddem der Begriff «Idiot» dem Besucher entgegenblinkt. Oder man steht vor einem Zelt, dessen Inneres mit Spiegeln verkleidet ist. Doch statt sich beim Hineinkriechen in Outdoor-Träumen zu verlieren, sehen sich die Besuchenden mit einer endlosen Vervielfältigung ihrer selbst konfrontiert. Unter dem Ausstellungstitel ‹L'évasion› thematisiert der französische Künstler Pierre Ardouvin (*1955) die Flucht aus dem Alltag und gleichzeitig ihr Scheitern. Eröffnet wird die Ausstellung mit den Requisiten einer Kleinbürgeridylle: Auf einem sich drehenden runden Tisch sind ein Vogelkäfig, ein Aquarium und eine Fächerpalme arrangiert.
Als gängige Fluchtmittel aus dem gewohnten Allerlei dienen Verheissungen einer imaginären Ferne, Wunschbilder und Träume. Für seine Installationen, Zeichnungen und Collagen schöpft Ardouvin aus einer alltäglichen Ästhetik, der billigen Magie von volkstümlichen Vergnügungen, und verwendet gängige Gebrauchs- und Konsumobjekte. Mit Vorliebe fokussiert der Künstler diejenigen Momente, in denen das Vertraute unvermittelt kippt. So wenn in einer Collage eine Katastrophe in ein Restaurant hereinbricht, eine pechschwarze ölartige Brühe sich durch eine idyllische Landschaft hindurchwälzt oder in der inszenierten Stubenecke ein künstliches Feuer in einem elektrischen Cheminée mit einem darüber stehenden Benzinkanister schwelt.
‹Suspense›, 2006, heisst die Arbeit, die eine mögliche oder drohende Katastrophe impliziert. Ardouvins Bildproduktionen leben von surrealistischen Elementen und sind mit Wortspielereien gespickt. Zum Beispiel ist der Werktitel ‹Ne me quitte pas› einem Lied von Jacques Brel entliehen. Hier spielt der Künstler mit den Gefühlen, welche von diesem Lied ausgelöst werden, mit der Sehnsucht nach Liebe, Angst vor Trennungen und vor Abhängigkeit.
Mit beissendem, schwarzem Humor entlarvt Ardouvin manchmal schonungslos gängige Illusionen und arrangiert Inszenierungen, die nur auf den ersten Blick unbeschwert wirken. Dies erzielt er mit Neuinterpretationen von glücksverheissenden Clichés, die aufzeigen, dass die Bilder ihre Glücksversprechen nie real einlösen können, weil sie grundsätzlich enttäuschen und wiederum mit einem illusionären Versprechen kompensiert werden müssen.

Bis 
14.01.2012

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