Michael Buthe - Zwischen Vodootempel und Taufkapellen

Michael Buthe · Die heilige Nacht der Jungfräulichkeit, 1992, Installation mit 14 Kupfertafeln und einem Leuchter mit Goldeiern, Ausstellungsansicht Kunstmuseum Luzern ©Pro Litteris. Foto: Marc Latzel

Michael Buthe · Die heilige Nacht der Jungfräulichkeit, 1992, Installation mit 14 Kupfertafeln und einem Leuchter mit Goldeiern, Ausstellungsansicht Kunstmuseum Luzern ©Pro Litteris. Foto: Marc Latzel

Besprechung

In der Kunstszene der Siebzigerjahre galt Michael Buthe als Exzentriker. Er schwelgte in Selbstinszenierungen, trat als ­Nomade zwischen Orient und Okzident auf und scheute ­keinen Kitsch. Mit schrillen, zwischen High und Low oszillierenden ­Inszenierungen schuf er eine radikal persönliche Kunst.

Michael Buthe - Zwischen Vodootempel und Taufkapellen

Ein sakral anmutender Saal bildet den Auftakt der Schau von Michael ­Buthe (1944-1994). In der Mitte funkelt ein spiralförmiger, von zwei goldglänzenden Eiern gekrönter Leuchter. Das flackernde Kerzenlicht erhellt 14 massive Kupfer­tafeln. Sie lassen lebensgrosse, zwischen Himmelfahrt und Höllensturz schwebende Figuren erkennen. Die ursprünglich für die Documenta 9 geschaffene Installation ‹Die heilige Nacht der Jungfräulichkeit› von 1992 verdankt ihre magische Aufladung Elementen aus synkretistischen Glaubensvorstellungen. Die Anzahl der 14 Kupfertafeln bezieht sich sowohl auf die Kreuzwegstationen wie auch auf die heiligen Nothelfer. Die vergoldeten Eier evozieren unterschiedlichste Zeit- und Kulturschichten. Nicht minder symbolbeladen ist ‹Taufkapelle mit Papa und Mama› von 1984, eine zweite noch existierende, überbordende Installation. In ihrer Mitte thront ein mit Wachs und Goldfarbe bedeckter Würfel, über dem ein hängender Tondo schwebt. Zwei anthropomorphe, aus Baumstümpfen bestehende Skulpturen stehen innerhalb von sechs Paravents, die einen rechteckigen Raum definieren und deren Seiten gestisch bemalt und ganz unterschiedlich gestaltet sind. Die ‹Kapelle› wird abgerundet durch archaisch wirkende Assemblagen und voodooartige Objekte, die an afrikanische Skulpturen erinnern. Allerdings wird deren Exotik dadurch ironisch gebrochen, dass sie aus lauter europäischen Gebrauchsgegenständen gebastelt sind.
Anfänglich schuf Buthe Tuchbilder, mit denen er auf die damalige Krise der Malerei antwortete. Sie verschränken das Gestische der zerschnittenen Leinwände von Lucio Fontana mit den präzisen, nüchternen Methoden des Hard Edge Painting. Die Überbrückung von Gegensätzen ist charakteristisch für Buthes Schaffen, ebenso wie die Verschränkung des Eigenen mit der Kultur des Fremden. Diese Grenzüberschreitungen wirken mit Blick auf die aktuelle politische Situation, in welcher der Ruf nach einer stärkeren politischen Abschottung immer lauter wird, nach wie vor höchst subversiv. Die in Kooperation mit S.M.A.K., Gent und dem Haus der Kunst, München entstandene Retrospektive lässt Buthes gesamtes facettenreiches Werk Revue passieren. Wir begegnen einem grossen Spektrum an prozesshaften Arbeiten des Künstlers, denen die Idee des Transitorischen zugrunde liegt. Dieses wandelbare Schaffen kumuliert in ungeheuerlich sinnlich und spirituell aufgeladenen Andachtsräumen.

Bis 
30.01.2016
Ausstellungen/Newsticker Datum Typ Ort Land
Michael Buthe 31.10.201531.01.2016 Ausstellung Luzern
Schweiz
CH
Autor/innen
Dominique von Burg
Künstler/innen
Michael Buthe

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