Im Herzen wild — Sehnsucht, Bewegung, grosse Gefühle
Klug inszeniert, sprechend gehängt, immer unterhaltsam und voller Überraschungen: ‹Im Herzen wild› ist eine grosse Ausstellung, die vieles zusammenbringt, was nicht selten weit auseinanderzuliegen scheint. Und die bewusst macht, wie sehr die Schweiz zur Zeit der Romantik uns heute noch angeht.
Im Herzen wild — Sehnsucht, Bewegung, grosse Gefühle
Zürich — Zum Auftakt eine glühende Eruption des Schweizer Malers Ducros, und schon geht’s hinein in die ‹Nachtseiten der Romantik›, die heimlichen und unheimlichen. Stark wie immer: Johann Heinrich Füssli. Sein Gemälde ‹Einsamkeit im Morgenzwielicht›, 1794–96, ist ein Traumbild von Goya’scher Tiefe, während anderes in diesem ersten von zehn Kapiteln vor allem durch Stimmungshaftigkeit besticht. Etwa die Transparentbilder von Franz Niklaus König oder die reizvolle ‹Malerstube im Mondschein› von Carl Gustav Carus, die beide – und das ist eine Qualität dieser Ausstellung – gleich an andere Ereignisse der Kunst denken lassen: an Friedrichs als Gesamtkunstwerke konzipierte Transparentbilder, an all die ‹Malerstuben› – und Atelierbilder seiner Zeit bis hin zu Menzels ‹Balkonzimmer›. Das sind natürlich subjektive Assoziationen, aber ‹Im Herzen wild – Die Romantik in der Schweiz› scheint es gerade darauf anzulegen. Überhaupt: nicht Schweizer Romantik, sondern «national entgrenzte Romantik» und damit verbunden Stilpluralismus und «Offenheit gegenüber äusseren Einflüssen», wie Kurator Jonas Beyer schreibt.
Darum spielen in der Schau mit ihren über 170 Exponaten von mehr als siebzig Künstlern auch so viele Nichtschweizer eine Rolle oder Schweizer Künstler, die ihre Aufgabe im Ausland fanden. Darum erscheinen in diesem Kontext auch Werke kleinerer Meister gross und werden in ihrer Bedeutung ernst genommen. Johann Jakob Ulrich gehört dazu. Sein ‹Brennendes Dampfschiff auf stürmischer See›, 1850–53, ist von innerem und äusserem Feuer bewegt und seine Zeichnung ‹Barke im Sturm›, 1849, so mitreissend wie ein William Turner, der im Kapitel ‹Die Entdeckung der Schweizer Landschaft› etwa mit einem atemberaubenden Blick von der Teufelsbrücke zum Gotthard von 1804 vertreten ist. In diesem gewichtigen Kapitel begegnet man auch dem Vorromantiker Johann Heinrich Wüest und seinem grossartigen ‹Rhonegletscher›, um 1775. Und ja, Calame: Sein atmosphärisch schönes ‹Bei Brunnen am Vierwaldstättersee›, 1856, oder dann, im hinreissenden letzten Kapitel ‹Natur im Fragment›, dem der junge Böcklin drei Glanzlichter aufsetzt, Calames Studien auf blauem Papier. Man kann angesichts der Werke, in denen Landschaftliches die Hauptrolle spielt, leicht ins Schwärmen geraten. Den Schlusspunkt zu dieser bewegten Schau setzt ein zeitgenössisches Werk. David Claerbouts Video ‹Travel› führt kunstvoll ins Waldesinnere, das am Ende gar nicht so tief ist: fast ein Akt romantischer Ironie.
→ ‹Im Herzen wild – Die Romantik in der Schweiz›, Kunsthaus Zürich, bis 14.2.; anregender Katalog mit frischen Perspektiven ↗ www.kunsthaus.ch
Institutionen | Land | Ort |
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Kunsthaus Zürich | Schweiz | Zürich |
Ausstellungen/Newsticker | Datum | Typ | Ort | Land | |
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Im Herzen wild | 13.11.2020 – 14.02.2021 | Ausstellung | Zürich |
Schweiz CH |
Arnold Böcklin | |
David Claerbout | |
Johann Heinrich Füssli |
Angelika Maass |