Michał Budny, Vittorio Santoro — Sculpture/Sculpture
Michał Budny · Untitled (Vertical Series), 2019–2020, Formsand, Holz, Baumwollgewebe, schwarze Farbe, Metallplatte, Höhe 321 cm, Courtesy Galerie nächst St. Stephan Rosemarie Schwarzwälder (links); After Midnight, 2015, Holz, Stoff, Leim, 183 x 123 x 48 cm, Courtesy Galerie Nordenhake Berlin/Stockholm/Mexico City (rechts). Foto: Marc Latzel
Der Schrägstrich im Ausstellungstitel trennt zwei Positionen und setzt sie gleichzeitig in ein Verhältnis. So befinden sich die Skulpturen von Michał Budny auf der einen, die von Vittorio Santoro auf der anderen Seite im Kunstmuseum Luzern. Der Dialog entsteht durch die körperliche und gedankliche Bewegung.
Michał Budny, Vittorio Santoro — Sculpture/Sculpture
Luzern — Wir treten ein und stehen vor einer Wand. Mit einer durchgangslosen Tür und einer halben Buchseite aus dem Klassiker ‹Verbrechen und Strafe›. Wie hier in ‹F. Dostoyevsky: C. and P., page 67 (Penguin Popular Classics), divided vertically›, 2007/2011, übersetzt Santoro wiederholt literarische Szenen von Beckett, Ionesco, Kafka und Woolf in «skulpturale Situationen». Der schweizerisch-italienische Konzeptkünstler erstellt poetisch-räumliche Diagramme existenzieller Befindlichkeiten, alltäglicher Absurditäten und sprachlicher Phänomene.
Bereits die Eingangshalle ist von einem hohen Maschendrahtzaun versperrt. Eine durchsichtige Grenze, die auch auf unsichtbare aufmerksam macht. Die Einschränkung der Bewegungsfreiheit ermöglicht jedoch die bewusste Wahrnehmung von Körper und Raum. Im engen Gang von ‹Mirror of the Sea (Hangzhou, I und II)›, 2015, liegen schwarz verpackte Gegenstände, die an «body bags» erinnern. Aber wie bei der Sprache kann auch hier von der äusseren Form nicht auf den Inhalt geschlossen werden.
Am anderen Ende erwartet uns ein kolossales Objekt aus rechtwinklig angeordneten Stahlstreben. Budny verweist mit ‹Blind›, 2020, auf die meist unbeachtete Infrastruktur des (sozialen) Raums. Wie das Zentrum eines Panopticons, das alles sieht, aber selbst unsichtbar bleibt, scheint das Objekt jede unserer Bewegungen zu überwachen. Die Formensprache des polnischen Künstlers erinnert an den Suprematismus Malewitschs oder an die Minimal Art eines McCracken. Selbst zu Material geworden, werden sie in Budnys Objekten variiert und ironisiert. So sind die schwarzen Balken von ‹Untitled›, 2015, die vermeintlich die Wand stützen, nicht glatt, poliert und massiv, sondern rau, verbrannt und hohl. Puristische Härte vollendeter Formen wird gebrochen durch textile Weichheit alltäglicher Materialien, die Flüchtiges wie Erinnerungen und Stimmungen einzufangen vermögen, so in ‹After Midnight›, 2015.
Eine nachdenkliche und zugleich sehr sinnliche Ausstellung der Kuratorin Fanni Fetzer, die nach Anweisung Santoros den Satz ‹Language Will Never Quite Connect You to the World›, 2008, an die Wand schrieb. Denn «die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt», wie Wittgenstein sagte. Später stellte dieser fest: «Ein Mensch ist in einem Zimmer gefangen, wenn die Tür unversperrt ist, sich nach innen öffnet; er aber nicht auf die Idee kommt, sie zu ziehen, statt gegen sie zu drücken.»
Institutionen | Land | Ort |
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Kunstmuseum Luzern | Schweiz | Luzern |
Ausstellungen/Newsticker | Datum | Typ | Ort | Land | |
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Michał Budny, Vittorio Santoro | 31.10.2020 – 31.01.2021 | Ausstellung | Luzern |
Schweiz CH |
Michal Budny | |
Vittorio Santoro |
Michel Rebosura |