Kunst aus Trümmern

Schaffhausen kurz nach dem Bombardement mit den brennenden Bauten von Kammgarn und Museum, 1. April 1944, Courtesy Stadt­archiv Schaffhausen

Schaffhausen kurz nach dem Bombardement mit den brennenden Bauten von Kammgarn und Museum, 1. April 1944, Courtesy Stadt­archiv Schaffhausen

Pierre Auguste Renoir · Fischstillleben, 1915/16, Spende von Georg Reinhart, Winterthur, 1944, Museum zu Allerheiligen Schaffhausen © ProLitteris

Pierre Auguste Renoir · Fischstillleben, 1915/16, Spende von Georg Reinhart, Winterthur, 1944, Museum zu Allerheiligen Schaffhausen © ProLitteris

Hinweis

Kunst aus Trümmern

Schaffhausen — Es war der 1. April, doch was sich an jenem Samstag 1944 ereignete, war tödlicher Ernst. Kurz vor elf Uhr liessen amerikanische Bomber, deren eigentliches Ziel die IG Farben in Ludwigshafen war, 378 Brand- und Sprengbomben auf die Stadt Schaffhausen fallen. Die traurige Bilanz: 40 Tote, 270 Verletzte, 560 zerstörte oder beschädigte Häuser. Und für das Museum zu Allerheiligen, dessen Westflügel mit der Kunstabteilung erst sechs Jahre zuvor eröffnet worden war, bedeutete es Verwüstung und Verlust. 66 Gemälde, darunter neun des grossen Schaffhauser Renaissancekünstlers Tobias Stimmer, waren für die Nachwelt verloren. Doch so schmerzvoll das Ereignis für die Stadt war, so ausserordentlich war, was daraus erwuchs: eine «beispiellose schweizweite Solidaritätsaktion». Am Anfang stand die «Zürcher Kulturspende für Schaffhausen», die von der NZZ initiiert wurde. Bald gelangten aus dem ganzen Land auch Sachspenden in Form von Kunst- und Kulturobjekten nach Schaffhausen. Von der Vielfalt dessen, womit politische Institutionen, Städte, Museen, Firmen oder Privatbesitzer zum Ausgleich des Verlusts beitragen wollten, gibt die aktuelle Ausstellung, die sowohl kultur- als auch kunstgeschichtlich ist, einen lebendigen Eindruck. Man taucht ein in das, was geschah; erhält einen ahnenden Blick auf verlorene Kunstwerke; nimmt teil an Rettungsversuchen, den Restaurierungen, die in einigen Fällen doch möglich waren; freut sich, dass Stimmers Porträt des Gelehrten Conrad Gessner sich erhalten hat, ebenso, dass Jahre später dank der Peyerschen Tobias Stimmer-Stiftung das wunderbare kleine Selbstbildnis des Künstlers ins Museum kam – und steht am Ende staunend vor der leuchtend blauen Wand, auf der dicht an dicht fünfzig von über sechzig geschenkten Bildern hängen. Bedeutende und weniger bedeutende Werke, aber alle wichtig in diesem menschlich-historischen Kontext, weil jeder Schenker etwas gab, das ihm am Herzen lag. Da die stimmungsvolle Rheinfall-Landschaft von Johann Jakob Schalch, der Winter von Daniel Lindtmayer, dort Werke von Anker, Hodler oder Menn, Neuestes von Carl Roesch; daneben Maler, die heute nur noch wenige kennen. Und auch das ruft die Schau in Erinnerung: Es war nach dem Unglück dank Versicherungs- und Reparationszahlungen Geld da, von dem das Museum bis in die Siebzigerjahre zehren und international wichtige Ausstellungen realisieren konnte, wie sie heute nicht mehr möglich wären. Dass zudem aus dem einstigen Heimatmuseum nach dem 1. April 1944 ein Haus von nationaler Bedeutung geworden ist, steht ausser Zweifel.

Bis 
20.10.2019

→ Museum zu Allerheiligen, bis 20.10.; mit Publikation ↗ www.allerheiligen.ch

Ausstellungen/Newsticker Datum Typ Ort Land
Kunst aus Trümmern 18.05.201920.10.2019 Ausstellung Schaffhausen
Schweiz
CH
Autor/innen
Angelika Maass
Künstler/innen
Pierre Auguste Renoir

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