Manon — Don’t look back

Manon · La dame au crâne rasé, 1978, Bilderserie mit ca. 48 Bildern, schwarz-weiss, gelatin silver print, Auflage 6, 65 x 50 cm © ProLitteris

Manon · La dame au crâne rasé, 1978, Bilderserie mit ca. 48 Bildern, schwarz-weiss, gelatin silver print, Auflage 6, 65 x 50 cm © ProLitteris

Besprechung

Provokationen müssen nicht unappetitlich sein, um zu wirken. Manon versteht sich hervorragend auf die Kunst, mit der Kunst für Aufsehen zu sorgen, ohne die Ästhetik aus den Augen zu verlieren. Eleganz und Kühnheit mischen sich in ihren älteren ­Arbeiten ebenso selbstverständlich wie in neueren Werken.

Manon — Don’t look back

Bern — Sie war eine Provokation, die Fotoserie ‹La dame au crâne rasé›, 1977–1979. Zeigt sie einen Mann oder eine Frau? Einen Menschen oder ein Wesen aus dem Weltall? Ein lebendiges Geschöpf oder nur ein faszinierendes Traumgespinst? Verwirrend wirken die Bilder in ihrer Uneindeutigkeit und zugleich unglaublich verlockend, ist doch die hybride Gestalt, die sie zeigen, von aufregender Schönheit. Von makelloser Schönheit könnte man sagen, wäre da nicht der eine, der auffallende, ja aufreizende Makel, der den Bildern ihre visuelle Sprengkraft gibt: der kahl rasierte Schädel. Manon (*1946) inszenierte sich in dieser Fotoserie als schwer fassbares Zwischenwesen. Für die Künstlerin markiert die ‹dame au crâne rasé› einen radikalen Schnitt in ihrem Leben. Installationen wie ‹Das lachsfarbene Boudoir› hatten ihr gros­se Bekanntheit gebracht. Doch sie begann sich in der Schweiz blockiert zu fühlen. Sie ging nach Paris, rasierte sich die Haare ab, wurde eine andere. Und traf damit ­einen Nerv der Zeit. Der britische Musiker David Bowie, der sich mit seiner Bühnen­figur Ziggy Stardust ein androgynes Image entwarf, erwarb ein Bild der Serie. ‹La dame au crâne rasé› war – und ist – nicht nur eine gewagte, für die späten Siebzigerjahre ungewöhnliche Selbstinszenierung. Manon wählte darüber hinaus ­eine Bildsprache, die neu und ungewohnt war, in der sich Elemente aus Mode- und Architekturfotografie, Avantgarde und Popkultur mischen. An der Oberfläche wirken die Schwarz-Weiss-Fotografien, die, wie alle fotografischen Arbeiten Manons, auf der Basis von Zeichnungen arrangiert wurden und die überwiegend in einem Hotelzimmer und in der Wohnung einer Freundin entstanden, streng und kühl. Und doch gibt es ein untergründiges Vibrato, ein Raunen und Rauschen, das von einer belebten Stadt, ­einer wilden Zeit, einer bewegten Persönlichkeit spricht. Und von einer Diskussion um Geschlechter und Rollen, die seit den Siebzigern engagiert geführt wird, aber noch lange nicht abgeschlossen ist. Es hat durchaus Sinn, wenn Manon nun einige kaum je gezeigte Bilder der Serie ‹La dame au crâne rasé› präsentiert und mit Aufnahmen der aktuellen Reihe ‹Borderline›, 2007/2019, kombiniert. In künstlich leuch­tenden Farben inszeniert Manon ihr Gesicht in Nahaufnahmen als Projektionsfläche für sinnliche, auch etwas verrückte Tagträume. Es entstehen betörende, bonbonfarbene und leicht bizarre Bilder, auf denen die Künstlerin mal Objekt, mal Subjekt zu sein scheint. Das provozierende Zwischenreich, dessen Tür sie in den Siebzigerjahren geöffnet hat, hat noch immer seine Existenzberechtigung.

Bis 
05.10.2019
Ausstellungen/Newsticker Datum Typ Ort Land
Manon 07.09.201905.10.2019 Ausstellung Bern
Schweiz
CH
Autor/innen
Alice Henkes
Künstler/innen
Manon

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