Ursula von Rydingsvard in der Galerie Lelong
Die abstrakten Holzskulpturen der renommierten amerikanischen Bildhauerin Ursula von Rydingsvard sprechen von Naturkräften und von einer traumatischen Kindheit im Schatten des Zweiten Weltkriegs
Ursula von Rydingsvard in der Galerie Lelong
Schon beim Betreten der Galerie Lelong schlägt einem ein berückender, frischer, erdig-harziger Duft entgegen. Er entströmt den überdimensionalen, zerfurchten und verwittert wirkenden Zedernholzskulpturen, welche die Galerieräume einnehmen. In ihrer Wucht und Präsenz gemahnen die Skulpturen an Ungetüme aus einer prähistorischen Zeit. Obwohl die evokativen, mannigfaltigen Formen und Oberflächen im Grunde abstrakt sind, suggerieren sie Landschaften, architektonische Formen, menschliche Figuren und Gebrauchsgegenstände. So erinnert die mehr als vier Meter hohe Skulptur «Wall Pocket Piece», 2003/04, an einen alten ausgehöhlten Baum und gleichzeitig an eine Burgruine, wie sie mit Vorliebe in englischen und deutschen Landschaftsgärten der Romantik standen. Die gefässähnlichen Formationen, die «Bowls», wecken Assoziationen an etruskische Grabhügel. Für die Künstlerin stellen sie aber mehr Erinnerungsräume dar, wenn sie sagt: «Die einfachste Methode, mir meine Vergangenheit in Erinnerung zu rufen, besteht darin, die Räume zu erkunden, in denen die Ereignisse stattgefunden haben.» Ursula von Rydingsvards Arbeit ist zu einem wesentlichen Teil beeinflusst von Erinnerungen an ihre Kindheit in deutschen Arbeits- und Flüchtlingslagern. Geboren 1942 in Deensen, Deutschland, als Kind polnischer und ukrainischer Eltern konnte sie 1950 mit ihrer Familie in die USA immigrieren. Sie liebt es, mit Zedernholz zu arbeiten; sie liebt seine Härte und seine gleichzeitige Nachgiebigkeit. Sie bearbeitet es mit der Kreissäge, dem Meissel und dem Holzhammer. Diese Vorliebe begründet die Bildhauerin mit ihrer Familientradition: «I come from a long line of Polish peasant farmers, and they were surrounded with wood ? wooden homes, wooden fences, domestic implements, wooden tools to work the land.» Sobald die länglichen Holzbalken im Atelier eingetroffen sind, schichtet sie sie Stück für Stück aufeinander, wobei ihr die Basis als Ausgangspunkt der Formfindung sehr wichtig ist. Die Quader zerschneidet sie, spitzt Teile ab und schnitzt Hohlräume aus. Sind die einzelnen Schichten zusammengesetzt und verleimt, reibt sie die rote Oberfläche des Zedernholzes mit grauschwarzem Graphit ein, wodurch sich hellere und dunklere Stellen ergeben. Dadurch entsteht nicht nur der Eindruck eines dramatischen Licht-Schatten-Spiels, sondern auch einer erodierten Oberfläche. Die Skulpturen entstehen ohne Vorskizzen nach einem vagen Bild aus einem Formenvokabular von Schalen, Schaufeln und Kämmen und aus Assoziationen, die viel mit ihrer Biografie zu tun haben. Wenn dieses vage Bild mit dem resistenten Holz umgesetzt wird, ereignen sich oft unerwartete Metamorphosen. In der zweiten Hälfte der siebziger Jahre, zu einer Zeit als Minimalismus und Konzept-Kunst viele Künstler beeinflussten, entwickelte von Rydingsvard eine sehr eigenwillige, dem abstrakten Expressionismus nicht unähnliche Sprache. Wenn auch das Arbeiten mit Schichten einem minimalistischen Prinzip durchaus entspricht, ist es hier viel eher psychologisch motiviert und steht zugleich gleichnishaft für die zyklischen Naturprozesse und ihre Beschwörung durch Rituale.
Dominique von Burg |
Ursula von Rydingsvard |