Ingrid Wildi und Tobias Zielony im Kunsthaus
Die Arbeiten von Ingrid Wildi und Tobias Zielony gründen auf dokumentarischem Material. Während Zielony die Jugendkultur an den Rändern städtischer Zivilisation erkundet, verhilft Ingrid Wildi Menschen, die keine Plattform besitzen, zu einer Stimme.
Ingrid Wildi und Tobias Zielony im Kunsthaus
«Die armen Leute wollen lachen und unterhaltende Filme sehen; weil sie frustriert sind, wollen sie im Kino alles vergessen können», erzählt einer der ägyptischen Kinooperateure, die Ingrid Wildi (*1963) zum Thema Kino befragt. Während des Interviews sitzen die Männer in ihrer Projektionskabine und werden frontal von einer fixen Kamera gefilmt. Die Künstlerin, die als Stimme aus dem Off präsent ist, befragt sie zu ihrer Arbeit, stellt Fragen zum Kino als Ort der Unterhaltung und der sozialen Begegnung, zum Kino als kulturellem Produkt und Produzent von Rollenmodellen. Diese Szenen spielen in der eben fertig gestellten Videoarbeit «Quelquepart II», welche Ingrid Wildi in enger Zusammenarbeit mit dem Künstler Mauricio Gajardo (*1969 in La Serena, Chile, lebt in Genf) realisiert hat. Auf diese fragende Art sucht sich die Künstlerin an eine fremde Kultur heranzutasten.
Die in Santiago de Chile geborene und in Genf lebende Künstlerin realisiert auf der Basis von Interviews Video-Essays, die sich zwischen Dokumentar- und Kunstfilm bewegen. Ihr Bezugspunkt sind die Meinungen, Erzählungen und persönlichen Erinnerungen ihrer Protagonisten, also dokumentarisches Material, welches sie im Prozess des Editie-rens fiktionalisiert. Dies hat die Funktion, das Nichtsichtbare, das Abwesende zu evozieren, und die Realität zu hinterfragen. Die Künstlerin, die 1981 mit Vater und Bruder emigrieren musste und unter Entwurzelung und sprachlichen Schwierigkeiten litt, thematisiert in ihren Arbeiten oft die Situation von Emigranten. Es liegt auf der Hand, dass die mündliche Überlieferung ein wichtiger Bestandteil ihrer Kultur ist. So sind denn auch die gesprochene Sprache und die Erinnerung von zentraler Bedeutung in ihrer Arbeit, mit welcher sie Menschen Gehör verschafft.
Auch in der Fotoserie «Big Sexyland», 2005, des Leipziger Künstlers Tobias Zielony (*1973) ist das Kino Hauptschauplatz als Treffpunkt und als Ort der Sehnsucht. Während bei Ingrid Wildi die Sprache ein identifikationsstiftendes Element ist, machen Zielonys Aufnahmen durch ihre Sprachlosigkeit betroffen. Die Schwarz-Weiss-Fotografien zeigen junge Männer, die sich in einem Pornokino und einem dort angrenzenden Park aufhalten. Sie stammen meist aus Mittel- und Osteuropa und sind nach Deutschland gekommen, um ihre aus den Medien gespeisten Träume eines westeuropäischen Eldorados wahr werden zu lassen. Doch gelandet sind sie in einem schmuddeligen Pornokino, das mit altem, zerschlissenem Mobiliar eingerichtet ist. Als Sexarbeiter müssen sie sich mehr schlecht als recht durchschlagen. Ähnlich hoffnungslos wirken die Jugendlichen in den Aufnahmen aus der Peripherie moderner Grossstädte - eigentliche Nicht-Orte, die mit ihren gesichtslosen Sozialwohnungsbauten vollkommen austauschbar sind. In filmischer Ästhetik fotografiert Zielony die Jugendlichen ? und zwar so, wie sie von der Aussenwelt wahrgenommen werden möchten.
Institutionen | Land | Ort |
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Kunsthaus Glarus | Schweiz | Glarus |
Dominique von Burg |
Ingrid Wildi |
Tobias Zielony |