Regula Syz und Michael Wyss — Back and Forth

Michael Wyss · Topos, 100 x 70 cm, Öl auf Holz, 2019; Regula Syz · Traum, 100 x 70 cm, Acryl auf Papier, 2019 © ProLitteris

Michael Wyss · Topos, 100 x 70 cm, Öl auf Holz, 2019; Regula Syz · Traum, 100 x 70 cm, Acryl auf Papier, 2019 © ProLitteris

Besprechung

«Eine Aussage kann nicht nur wahr, falsch oder sinnlos sein, sondern auch imaginär», sagt George Spencer-Brown. Der Satz des englischen Mathematikers zum logischen Kalkül könnte so über dem Eingang der Ustermer Villa Grunholzer stehen, wo ­Malereien von Regula Syz und Michael Wyss ausgestellt sind.

Regula Syz und Michael Wyss — Back and Forth

Uster — Platon verachtete die Maler. Da gäben die sich doch ihre liebe Mühe, die Welt an Wänden und auf Tafeln abzuschildern. Doch man nehme einen Spiegel zur Hand und siehe: Alles, was Bild werden kann, wird dir im Nu auf blanker Fläche verdoppelt! Lebte Platon heute, hiesse er uns, statt des Malens, das Smartphone zücken. Und siehe: Das Spiegelbild der Welt im Schnappschuss bleibt nicht nur dauerhaft eingefangen, lässt sich sogar im Nu mit all meinen Followers teilen! Und Instagram erwidert den Post, indem es, ungefragt, auf Bilder hinweist, «die dir auch gefallen könnten». So funktioniert die intelligente, sich selber steuernde und autonom kommunizierende Bildproduktion 4.0. Kunst hechelt wie der Hase zwischen den Igeln; der technologische Fortschritt ist immer schon da, wo Kunst das Neue entdeckt haben möchte. Darauf fallen Regula Syz und Michael Wyss aber nicht herein, missachten unbeirrt den Ratschlag des athenischen Kunstverächters und malen, beide auf je eigene behutsame Weise. Sie operieren, cyberdeutsch gesprochen, am Übergang von 0.0 zu 1.0 künstlerischer Produktion. Nicht mehr mit blossen Fingerkuppen Körpersäfte verteilend, sondern mittels früh schon ausgefeilter Kulturtechnik markieren sie die Welt. Die behutsamen Gesten beim Auftrag von Pigmenten unterscheiden sich kaum von denen steinzeitlicher Maler, die, mittels zugespitzter Röhrenknochen, Bison, Hirschkuh und Wildschwein Leben einbliesen, das noch heute im Fackelschein der Beobachtung über die bucklige Höhlenwand von Altamira zu springen scheint. «You have to draw a distinction», sagt Spencer-Brown. Wissen beginnt damit, dass du eine Unterscheidung zeichnest, etwa zwischen Beobachtetem und dem Meer des Unbeobachteten. Malend erfahren wir körperlich (!) den Ursprung logischer Reflexion: nicht mittels eines schnöden Spiegels, sondern durch tätiges Unterscheiden entsteht markierte Welt in meinem Geist und wird mir zugleich, selbstgemacht, als Gegenstand vorgelegt. Selbst Gott, glauben wir der Genesis, konnte nicht anders, er musste es tun, nachdem er lange genug über den Wassern geschwebt hatte, wie ein zögernder Pinsel über der Leinwand, der sucht, wo er behutsam aufsetzen könnte. Und dann beginnt er zu unterscheiden: Tag und Nacht, Luft und Wasser, Feuchtes und Trockenes, bis es – wie Gewitter nach ersten zagen Tropfen – immer schneller, immer üppiger angeht und dieses verrückte, unübersehbare Durcheinander an Pflanzen, Getier und Menschen göttlichem Unterscheiden entsprudelt. «Und siehe, es war sehr gut.» Beat Wyss

Bis 
03.11.2019
Ausstellungen/Newsticker Datum Typ Ort Land
Michael Wyss, Regula Syz 19.10.201903.11.2019 Ausstellung Uster
Schweiz
CH
Künstler/innen
Regula Syz
Michael Wyss
Autor/innen
Beat Wyss

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