Connected Space — Ein Staffellauf von Kunst- und Projekträumen
Dezentral und offen, so versteht sich das gross angelegte Projekt ‹Connected Space›, das seit Herbst 2019 von zahlreichen Kunsträumen aus der ganzen Schweiz gemeinsam realisiert wird. Durch das Virus wurde der physische Austausch abrupt unterbrochen, seit Ende August nimmt der Kunst-Staffellauf in Bern wieder Fahrt auf.
Connected Space — Ein Staffellauf von Kunst- und Projekträumen
Vom Champagnergenuss in einem Coiffeursalon im Monbijouquartier, so gedrängt an der Eröffnung, dass die poetischen Texte von Laura Grubenmann auf dem Boden kaum zu lesen waren, bis hin zum Blutturm an der Aare, wo neben den protheseartigen Objekten eines Remy Erismann wagemutige Kunstschaffende mit Dosenbier im Gebälk des Gemäuers zu elektronischen Beats tanzten – das sind Erinnerungen an die ungezwungene Atmosphäre des ‹Connected Space› vor dem Lockdown.
Die Idee des physischen «Austauschs», wie sie Virginie Halter und Yvonne Lanz aus dem Projektteam im Gespräch ausführen, musste im Frühling faktisch eingefroren werden: «Das Konzept baut auf einen Staffellauf der Kunsträume und setzt sich in den künstlerischen Produktionen aus drei Elementen zusammen, wie folgt: ‹Zu Gast gehen›: Für die Dauer einer Aktion oder Ausstellung suchen sich die lokal ansässigen Projekträume oder Initiativen einen nicht-kunstkonnotierten Gastort wie etwa eine Metzgerei oder ein Altersheim. ‹Gastgeben›: Parallel dazu laden die Kunsträume in Bern Kollektive aus einer anderen Schweizer Stadt ein, in ihren Räumen eine Produktion zu realisieren. ‹Die mobile Struktur›: eine mobile und modulare Struktur begleitet die Produktionen und kann zu Ausstellungs- und Vermittlungszwecken eingesetzt werden.» Nachdem dann plötzlich all diese Formate brachlagen, wurde das Gefäss ‹Intermezzo› geschaffen, das als digitale Gesprächsreihe und als Workshop diente, in welchem die Lebensbedingungen der Kunstschaffenden umkreist werden konnten. Die gesammelten Statements werden in ein Manifest «zu Wesen, Wert und Wirkung von selbstorganisierten Kunsträumen» einfliessen, das die Diskussion um die Nachwirkungen der Krise im Kulturbereich bereichern will.
Neustart nach dem Lockdown
Mit der 3. Staffel ist nach dem Lockdown ein gewisser Alltag zurückgekehrt. Man traf sich wieder, etwa vor dem Projekt ‹Hygieia› des Kollektivs Rohling. Bei dessen grotesk-bunten Brunnensäule an der Kramgasse konnte man zwar nicht die Hände waschen, dennoch stahl sie sogar dem Nachbarn aus dem 16. Jahrhundert bei den Touristen die Show und führte zu einem intensiven Dialog mit der Ortsansässigen.
Und auch für die 4. Staffel sind ab November ganz unterschiedliche Projekte geplant: So lädt in der Cabane B, dem Nouvel’schen «Rosthäuschen» beim Bahnhof Bümpliz, das sic! aus Luzern ein: Passend zur Krise thematisieren Daniela Brugger, Künstlerin, und Laura Breitschmid, Kuratorin, mit Besuchenden sowie Kunstfachleuten in einer Art «Spiel des Lebens», besser des «Überlebens», kreative (Überlebens-)Strategien. Gruppenweise versetzen sich die Spielenden etwa in die Rolle eines oder einer Mid-Career Artist und tauschen sich zu bestimmten Herausforderungen mit Peter J. Schneemann aus, Professor für Kunstgeschichte der Moderne und Gegenwart in Bern. Zudem sind über die Lautsprecher des altehrwürdigen Loeb-Warenhauses in der ersten Monatshälfte Stimmen zu hören, die von Begegnungen erzählen. Dieses Audiostück ist Teil der Soundarbeit ‹+41 (0)800 00 12 16 – A Voice Message Project› von Johanna Kotlaris, Marc Norbert Hörler und Ines Marita Schärer. Und im ganzen Monat ist im Kunstraum Dreiviertel der Basler Offspace Lotsremark Projekte mit der Ausstellung ‹Transitorische Turbulenzen› zu Gast: Das Kuratorenduo Janine Stoll und Harald Kraemer von Lotsremark setzt konzeptuelle, systemkritische Werke von Künstlern wie Marcel Broodthaers (BE), Joseph Leung (HK) und George Steinmann (CH) in Dialog. Ebenfalls Systeme, wenn auch in Raum und Architektur, befragen der Künstler Matteo Taramelli (IT) und der Astrophysiker Adomas Valantinas (LI) im interdisziplinären Format ‹Reagenz›, einer Reihe der Betreiberin des Dreiviertel, Anna Fatyanova. Taramelli, auch ausgebildeter Architekt, und Valantinas diskutieren schon seit einiger Zeit räumliche Fragen und Utopien, etwa die Besiedlung des Mars ...
Eher ein Lauffeuer als ein Feuerwerk
Zum Schluss der Versuch einer vorgezogenen Bilanz: ‹Connected Space› verfolgt die Vernetzung sowie die Sichtbarkeit der Off-Initiativen in der Stadt und in der Schweiz sowie den Austausch mit der Öffentlichkeit. Erfolgreich war Ersteres: Betreibende und Kunstschaffende von ausserhalb, inklusive Publikum, waren in Bern zu Gast und vice versa. Dennoch scheint es schwierig, das Wesen von ‹Connected Space› präzise zu erfassen. Im Gespräch mit dem Projektleitenden wird zwar klar, dass man weder einen neuen Brand noch ein Festival schaffen will, die Heterogenität der Szene soll beibehalten werden: Man vergleicht sich nicht mit «einem Feuerwerk» wie etwa das Kunsthoch in Luzern, sondern man sieht sich als «Lauffeuer». Doch der Staffellauf über die lange Zeit vergibt bewusst gemeinsames Potenzial. Man hätte sich nach dem gemeinsamen Auftakt weitere, teils kollektive, sichtbare Aktion gewünscht. Gut gelungen ist dafür die Positionierung der Kunsträume als wichtige Akteure in der Berner Kulturlandschaft: Hervorgegangen war das Projekt aus dem etwas eingeschlafenen ‹Kollektiv Bern›, dem Zusammenschluss der Berner Kunsträume. Dank der Projektförderung des Kulturfonds ist nun die Vernetzung vorhanden, sodass das Projektteam selbstbewusst konstatiert: «Einzelne Initiativen haben weniger Gewicht als wir im Kollektiv!»
Dies ist wohl mit der wichtigste Effekt des Projekts in einer Zeit des Galerienschwundes. Es ist eine Zeit, in der Kunsträume plötzlich an einem Zurich Art Weekend erscheinen, und eine von viel Eigeninitiative geprägte Szene, die sonst in den Diskussionen eher unter «ferner liefen» figurierte, als selbstverständlich wahrgenommen wird.
Adrian Dürrwang. Kunsthistoriker, freier Autor und Lehrer, lebt in Bern. a_duerrwang@hotmail.com
→ ‹Connected Space›, Ein Kunst-Staffellauf von Berner Projekträumen und Initiativen in Kollaboration mit Projekten aus allen Landesteilen der Schweiz; ‹4. Staffel›, bis 9.1. ↗ www.connected-space.ch
Ausstellungen/Newsticker | Datum | Typ | Ort | Land | |
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4. Staffellauf von Connected Space | 21.10.2020 – 09.01.2021 | Ausstellung | Bern |
Schweiz CH |
Adrian Dürrwang |
Adrian Fernandez Garcia |
Laura Grubenmann |