Jürg Stäuble in der Galerie Mark Müller

Jürg Stäuble · parallels, 2002, Styropor, Acryllack, Plastikfolie,
230 x 640 x 45 cm

Jürg Stäuble · parallels, 2002, Styropor, Acryllack, Plastikfolie,
230 x 640 x 45 cm

Besprechung

Hellblaue Wellen, asphaltschwarze Puzzleteile und weisse, deformierte, an den Wänden hängende Kettenglieder verleihen gegenwärtig den im Souterrain liegenden Räumen der Galerie Mark Müller eine luftige Leichtigkeit. Die Objekte sind aus Styrofoam, Styropor und Sperrholz und ihre spröde, brüchige Beschaffenheit steht in krassem Gegensatz zu den schlangenartigen, sich verknäuelnden Formen.

Jürg Stäuble in der Galerie Mark Müller

Es sind dies die neuesten Arbeiten des Aargauer Raumplastikers Jürg Stäuble (*1948), der seit geraumer Zeit in Basel lebt. Das von Jürg Stäuble schon seit seiner Jugendzeit zelebrierte Spiel mit Widersprüchlichem ist in der Ausstellung bei Mark Müller um eine besondere Variation erweitert worden. Die Skulpturen erzeugen Spannungsfelder, die aus dem Gegensatz des sperrigem Materials und der nach Bewegung drängenden Formen resultieren. Waren die früheren Arbeiten aus hartem Material (wie Eisenblech und Stahl) und erforderten zur Bändigung viel Kraft, ja auch Aggressivität, so tritt dieser Aspekt jetzt in den Hintergrund zugunsten einer legoartigen, geometrischen Zusammenstellung von Einzelelementen. Denn das jetzt verwendete spröde Material würde unter Krafteinwirkung gleich zerbrechen.

Jürg Stäuble, dessen Werk auf dem Humus von Minimal Art und Konzeptkunst gewachsen ist, hat immer sehr viel Wert auf die Oberflächenbeschaffenheit seiner Arbeiten gelegt. So übermalte er Spiegel mit Farbe und Schminke oder schwärzt mit Graphit oder Asphaltfarbe. Die hellblaue Farbe der beiden Wandobjekte bei Mark Müller scheinen über den ansonsten asketisch wirkenden Arbeiten eine boudoirartige Note zu versprühen. Dieses Fluidum in Kombination mit den offenen, raumdurchlässigen Formen und Liniengebilden, die sich in ständigen Schwüngen bewegen, bringt die Körper gleichsam zum Atmen. Den weissen und hellblauen Lineargebilden, den schwarzen Objekten wie auch dem zu einem gordischen Knoten verdichteten Bodenobjekt aus Styropor liegen ein strenges, mathematisches Konstruktionsprinzip zu Grunde, das zuerst in Zeichnungen angelegt wurde.

So erweist sich das im ersten Raum stehende Bodenobjekt bei näherer Betrachtung als eine ausgeklügelte Konstruktion aus hinter- und übereinandergeschichteten Kreisen aus MDF-Holzplatten. Versucht man die Ordnungen zu kategorisieren, entziehen sie sich. Denn die vordergründige geometrische Klarheit ist mit kalkulierter Irritation unterlaufen. So gibt es keinen festen Standpunkt, von dem aus eine Skulptur schlüssig wahrzunehmen ist. Beim Herumlaufen um die Skulpturen verändern sich die Strukturen, werden andere Aspekte wahrgenommen. Derart weicht der Eindruck der rationalen Fassbarkeit der Objekte dem Gefühl, einer ephemeren wandelbaren Erscheinung gegenüber zu stehen. Der Betrachter wird über die sinnliche Erfahrung aufgefordert, sich die unterschiedlichen Ansichten der Skulpturen gedanklich vor Augen zu führen. Die Uneindeutigkeiten sind das Elixier, welches die Arbeiten Stäubles mit lebensdynamischer Energie auflädt.

Bis 
13.12.2002

Werbung