Füssli - The Wild Swiss im Kunsthaus

Johann Heinrich Füssli · Falstaff im Wäschekorb, 1792, Öl auf Leinwand, 137,5 x 170,5 cm, Kunsthaus Zürich

Johann Heinrich Füssli · Falstaff im Wäschekorb, 1792, Öl auf Leinwand, 137,5 x 170,5 cm, Kunsthaus Zürich

Besprechung

Dramatisch aufgebauscht und theatralisch inszeniert muten die grossformatigen dunkeltonigen Bilder von Johann Heinrich Füssli an, in denen bleiche Menschen Gespenstern begegnen, von Albträumen heim- und von Elfen, Gnomen und Hexen besucht werden

Füssli - The Wild Swiss im Kunsthaus

Thematisch sind die düster-romantischen Szenen von Homer, dem Nibelungenlied, Dante und Vergil, Milton oder Shakespeare inspiriert. Dichtungen, die Füssli während seiner Zürcher Jugend durch J.J. Bodmer und J.C. Lavater kennen gelernt hatte. Zu diesen Dichtungen schuf er eigenwillige Bildfolgen. Sie leben von heroischem Pathos, übersteigerten Bewegungen und leidenschaftlichem Ausdruck und verraten zuweilen einen ironischen Blick. Obwohl sie motivisch antiquiert scheinen mögen, markieren sie einen bedeutungsvollen Schritt in Richtung Moderne. Diesen Schritt hatte Füssli schon während seines Romaufenthalts (1770-1778) vollzogen, als er den Frühklassizismus mit einer flächigen, konzeptuellen und antinaturalistischen Gestaltungsweise überwunden hatte. Das Moderne zeigt sich auch in der Art, wie sich etwas Bodenloses zwischen die Figuren drängt und die Kontinuität des Bildraums auseinander bricht und dem Chaos, dem Visionären und dem Wahnsinn Raum verschafft.

Johann Heinrich Füssli, der 1741 in Zürich in eine Künstlerfamilie hineingeboren wurde und zunächst Theologie studierte, war ein Stürmer und Dränger der ersten Stunde. Bereits als Zwanzigjähriger hat er gegen einen korrupten Landvogt opponiert, weswegen er Zürich verlassen musste und nach London ausriss. Obwohl er den Ideen der Aufklärung sehr zugetan war und anfänglich die Französische Revolution befürwortete, huldigte er in seiner Kunst keineswegs der Ratio und den Ideen von Gleichheit und Gerechtigkeit, sondern kaprizierte sich auf die Schattenseiten der menschlichen Existenz und beschwor den Einbruch des Chaos. In dieser Hinsicht zeigt er sich geistig mit Francisco de Goya verwandt, dessen «Traum der Vernunft Ungeheuer gebar». Das gleichnamige Capriccio, 1793-98, in dem der Künstler von Fledermäusen und Nachtgetier aller Art bedroht wird, führt zu Füsslis «Nachtmahr», 1790-91, womit er als Künstler des «gothic horror» stilisiert wurde. Doch ganz im Unterschied zu Goya sind die sozialpolitischen Aspekte der damaligen Umbruchzeit bei Füssli ausgeblendet. Die thematisch aufgebaute Retrospektive im Kunsthaus mit über 50 Gemälden, den frühen Zeichnungen, einzelnen Graphiken, illustrierten Büchern, Porträts und den gewagten erotischen Zeichnungen führt vor Augen, dass Füssli mit seinen fragmentarischen Bezügen zu Literatur und Dichtung den theatralischen Inszenierungen und seiner synthetischen Arbeitsweise heute geradezu als «Postmoderner avant la Lettre» gelten kann. Katalog.

Bis 
07.01.2006

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