Matthieu Gafsou
Matthieu Gafsou
Pully — Bereits 2017 hatte das Musée d’art de Pully gegenüber Matthieu Gafsou (*1981) den Wunsch geäussert, ihm eine Retrospektive zu widmen. Da sich der Waadtländer Fotograf jedoch noch zu jung dafür fühlte, wurde aus diesem ursprünglichen Vorschlag nun ein ‹Parcours photographique›, wie es im Untertitel heisst. ‹Le voile du réel› ist dennoch ein ambitiöses Projekt, da die Schau gleichwohl 15 Jahre fotografischer Arbeit abdeckt und so einen Blick auf die Produktivität eines der wichtigsten Fotografen der Schweizer Szene ermöglicht.
In den kleinen, intimen Räumen des Musée d’art startet der Überblick mit einer Auswahl der frühen Werke, als Gafsou gerade die Fotoschule CEPV in Vevey abgeschlossen hatte. «Ich habe aus Liebe zum Flanieren mit der Fotografie begonnen», gesteht Gafsou. Seine Serien ‹Espaces nomades›, ‹Surfaces› oder ‹Terres compromises›, zwischen 2006 und 2010 entstanden, stehen in der Tradition der dokumentarischen Landschaftsfotografie und zeigen eine subtile Inszenierung der Alltagsdramaturgie in der Schweiz oder anderswo. Zwischen 2011 und 2018 vollzieht sich dann eine erste Wende: Mit ‹Sacré›, einem Auftragswerk der katholischen Kirche des Kantons Freiburg, und dem Projekt ‹H+› über den Transhumanismus, das 2018 bei den Rencontres d’Arles vorgestellt wurde, wird die menschliche Figur in Gafsous Fotografien – bis dahin abwesend – immer dominanter.
Doch der Künstler führt uns immer schneller durch das Museum; man spürt seine Ungeduld, endlich seine neueste Arbeit zu zeigen, und das zum ersten Mal in Pully. Mit dem Fotozyklus ‹Vivants›, an dem er in den letzten vier Jahren gearbeitet hat, ist eine neue Schwelle erreicht: Seine fotografische Arbeit setzt auf Experimente – formal und konzeptuell. «Une forme libre», so Gafsou. Schwarz-Weiss-Bilder mischen sich mit farbigen Porträts, Landschaften, Stillleben oder Bildern aus der Serie ‹Pétrole›, die mit Öl pigmentiert sind; sehr plastische Fotografien stehen neben klassichen fotojournalistischen Aufnahmen. All das dokumentiert Gafsous Versuch, einen «fotografischen Essay» zu realisieren. Hinter dieser Vielfalt, die man auf den ersten Blick nur schwer einordnen kann, entdeckt man einen sehr persönlichen Weg. Die Arbeit veranschaulicht die starke Bindung des Fotografen an die Natur, aber auch seine Wut und seine Ängste angesichts der Umweltzerstörung. Es ist keine Kunst, die Geschichten erzählt, vielmehr eine, die Ideen aufscheinen lässt.
Institutionen | Land | Ort |
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Musée d'art de Pully | Schweiz | Pully |
Ausstellungen/Newsticker | Datum | Typ | Ort | Land | |
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Matthieu Gafsou — Le voile du réel Un parcours photographique | 16.09.2022 – 11.12.2022 | Ausstellung | Pully |
Schweiz CH |
Ingrid Dubach-Lemainque |
Matthieu Gafsou |