Jana Gunstheimer und Eva Grün in der Römerapotheke
Unterschiedlicher könnten die beiden jungen Künstlerinnen nicht sein. Jana Gunstheimer entwirft mit ihrem «Nova Porta»-Projekt auf quasi wissenschaftliche Weise fiktive Welten, die sie als Work in Progress mit grosser formaler und inhaltlicher Konsequenz betreibt, während Eva Grün witzig und rotzig mit dem Banalen ihre Spiele treibt.
Jana Gunstheimer und Eva Grün in der Römerapotheke
In einer Gesellschaft, die auf Katastrophenszenarien bereits geeicht zu sein scheint und es sich darin gemütlich eingerichtet hat, kommen düster-dunkle Intérieurs, wie sie Jana Gunstheimer (*1974) mit Gouache virtuos aufs Papier bannt, ungemein gut an. Jedenfalls werden die Käufer auf Wartelisten gesetzt. Die im Erdgeschoss der Römerapotheke gezeigten, neuesten Arbeiten aus dem Zyklus «Über F» führen das provozierende Projekt «Nova Porta», das als Work in Progress angelegt ist, fort. Ausgehend von der Beobachtung unserer globalisierten Gesellschaft mit den Schattenseiten einer zunehmenden sozialen Verelendung, zunehmender Gewaltbereitschaft und postindustrieller Verödung hat die in Jena arbeitende Ethnologin ein
fiktives Reservat für Personen ohne Aufgabe (POAs) entwickelt. Unter www.nova-porta.de erfährt man, dass es sich dabei um eine Kunstwelt handelt, die als Organisation zur Bewältigung von Risiken nach dem Muster von Computerspielen aufgebaut ist, die ihren Mitgliedern ein Höchstmass an Scheinfreiheit und Triebbefriedigung gewährt. In der früheren Werkgruppe «Stammsitz» gibt Jana Gunstheimer einen Einblick in das Domizil der Organisation, die seit mehreren Jahren in einem bisher ungenutzten Teil der Villa Hügel (einstiger Herrensitz der Krupp-Dynastie) arbeitet. In den geschichtsträchtigen Räumen soll jungen Menschen, ohne Vision und Lebensinhalt, Sinn, Bedeutung und Stil vermittelt werden. In der Werkgruppe «Über F» wird auf einem zehn Meter langen Rollbild geschildert, wie besagtes Organisationsmitglied beobachtet wird. Neben den Bildern von F. sind Notizen und Kommentare angebracht, die belegen, dass der Beobachter alles über F. weiss.
Gunstheimers klaustrophobische Welt erfährt im oberen Stock durch Eva Grüns Freude am Banalen einen Gegenakzent. An langen Nylonfäden hängen auseinandergefaltete Medikamentenpackungen, deren Innenseiten figürliche Tuschezeichnungen zieren, die mit Schnipseln aus Zeitungsschlagzeilen versehen einen unerwarteten Aspekt erhalten. Da erscheint Mickey Mouse, geschniegelt im Anzug, der zur «anonymen Beratung geht», das Gesicht eines properen Bankers, der «einen Sofortkredit» verspricht, oder ein Allerweltsgesicht, das sich als «unfreiwillig komisch» entpuppt. Scheinbar alles kann der jungen Wiener Künstlerin Eva Grün (*1975) als Mal- und Zeichnungsgrund dienen: Verpackungen, Kartons oder Zeitungspapier. So hat sie die Pläne ihres Grossvaters, der Architekt war, traktiert, bemalt und collagiert. Die mit Zeitungsschlagzeilen beschrifteten Zeichnungen animieren die Betrachter, Geschichten zu spinnen und Alltägliches mit einem besonderen Flair zu verzaubern.
Institutionen | Land | Ort |
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Römerapotheke | Schweiz | Zürich |
Dominique von Burg |
Eva Grün |
Jana Gunstheimer |