Jacques Tardi — Ein Agent der Vergessenen
Jacques Tardi ist einer der renommiertesten Vertreter des zeitgenössischen Comics. Seine erschütternden Kriegscomics und die von ihm adaptierten Léo-Malet-Krimis berühren weltweit. Das Basler Cartoonmuseum widmet ihm eine umfassende Retrospektive mit über zweihundert Zeichnungen und Plakaten.
Jacques Tardi — Ein Agent der Vergessenen
Basel — Auf einem Blatt ein im Blut sitzender Soldat mit montierter Gasmaske, auf einem weiteren Papier ein schwer verletzter, aufschreiender Soldat, der auf der nächsten Seite nach «Edith» ruft, auf dem folgenden Papier eine junge Frau, die in einer Waffenfabrik arbeitet: Seit Kindertagen beschäftigen Jacques Tardi (*1946, Valence) die Erlebnisse des Grossvaters im Ersten und die Gefangenschaft des Vaters im Zweiten Weltkrieg. Diese Erfahrungen verarbeitet der in Paris lebende Zeichner in semidokumentarischen Werken. Sein Kernthema ist die Sinnlosigkeit des Kriegs, das Leiden der als Kanonenfutter geopferten Soldaten. Grosse Beachtung als Künstler fand Tardi in den Siebzigerjahren, als er die Comicreihe ‹Adeles ungewöhnliche Abenteuer› in der Zeitschrift ‹Pilote› veröffentlichte. Die Protagonistin bewegt sich zu Zeiten der Belle Epoque in einem wundersamen, surrealistisch anmutenden Paris. Zeichnen ist für Tardi nach eigenem Bekunden Lebenselixier. Die leicht verständlichen Darstellungen mit realistisch wiedergegebenen Milieus leben von dem unverkennbaren und wirkungsvollen Schwarz-Weiss-Stil, der durch kontrastreiche Strichführung und harte Schatten besticht. Die stilisierten Figuren mit gerundeten Konturen und akzentuierten Gesichtern strahlen Persönlichkeit aus. Während Tardi für einige Werkgruppen akribisch recherchiert, um seinen Blättern möglichst grosse Authentizität zu verleihen, zeigen sich andere Arbeiten von einer fabulierenden Seite, so die albtraumartige Zeichnung aus ‹Le Voyage au bout de la nuit›, 1988. Es handelt sich um eine persönliche Interpretation des teilweise autobiografischen Romans von Louis-Ferdinand Céline mit über fünfhundert Zeichnungen. Die Fassung von Tardi, im selbst erstellten Layout, zeigt einen kauernden Mann im Bett mit einer am Boden stehenden leeren Weinflasche. Aus einer dunklen Ecke kriechen Spinnen, Kröten und eine Schlange auf ihn zu. Es ist ungemein ergreifend, wie er den metaphysischen Helden von Céline in einer absurden Situation erfasst hat. In über fünfzig Alben setzt sich Tardi gegen die Todesstrafe ein, gegen den sozialen Abbau im heutigen Frankreich, gegen Rassismus und für die Menschenrechte. Ätzende Zeichnungen finden sich auch in diversen Satirezeitschriften, Magazinen und Zeitungen. Für seine Arbeiten ist Tardi mit hochkarätigen Auszeichnungen dekoriert worden. Die Aufnahme in die französische Ehrenlegion lehnte der Kriegsgegner jedoch mit Nachdruck ab.
Institutionen | Land | Ort |
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Cartoonmuseum Basel | Schweiz | Basel |
Ausstellungen/Newsticker | Datum | Typ | Ort | Land | |
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Le Monde de Tardi | 10.11.2018 – 24.03.2019 | Ausstellung | Basel |
Schweiz CH |
Dominique von Burg |
Jacques Tardi |