Necla Rüzgar
Necla Rüzgar
Kassel — Die Zeichnungen und Aquarelle der in Ankara lebenden türkischen Künstlerin Necla Rüzgar (*1972, Tunceli) zeigen eine enge Verbundenheit zwischen Tieren und Menschen. Sie halten sich in der Natur oder an unbestimmten Orten auf. Zuweilen scheinen die Menschen mit Tieren verwachsen zu sein, oftmals entwachsen Vogel- oder andere Tierköpfe den Köpfen der Figuren. In den Zeichnungen sind es auffallend oft weibliche Körper, die mit Köpfen oder Gliedern von Tieren zu Hybriden verschmelzen. Die Rolle und die Identifikation der Frauen in einer patriarchalen Gesellschaft nehmen denn auch einen bedeutenden Teil in Rüzgars Werk ein, werden sie doch im häuslichen Ambiente oder in Jagdszenen als Opfer dargestellt. Trost und Erquickung erfahren sie in traumartigen Szenerien, meist in magischer Verbindung mit Tieren.
Die Werke offenbaren auch, was die Lebensrealitäten von Frauen und Tieren verbindet: Das Triptychon ‹Survival Skill Series›, 2017, zeigt Hirsche und Gazellen auf der Flucht. Ein verletztes Tier sitzt im Schnee neben einer Frau, die versucht, einen Pfeil aus ihrem blutenden Oberschenkel zu ziehen. Andernorts treffen wir auf schlafende Frauen und Tiere, die im Schnee liegen und sich aneinander kuscheln, so als würden sie sich in einer bedrohlichen Situation gegenseitig schützen. Vielfach tragen die Frauen die Züge der Künstlerin. Damit illustriert Rüzgar das Konzept der «Schwesternschaft», und bereits im Ausstellungstitel ‹My Name Was Written On Every Page› klingt die Empathie mit unterschiedlichen Frauenschicksalen an.
Während die Aquarelle in ihrer figurativen Darstellungsart oft etwas manieriert anmuten, leben die Tuschezeichnungen davon, dass sie die Hybridwesen in einem weissen Umraum nur andeuten und kaum fassbare Zwischenwelten evozieren.
Die Werke von Necla Rüzgar erinnern an diejenigen von Kiki Smith, die sich gerne als wilde Wolfsfrau inszenierte und in assoziationsreichen, mythisch aufgeladenen Bildwelten von der Conditio humana sowie von Verbindungen zwischen der geistigen und animalischen Welt der Menschen und Tiere erzählt. Doch anders als die New Yorkerin, die ihre Kraft aus der Auslotung ihrer weiblichen Identität schöpft, schwelt in Rüzgars Motiven der Medusa in der Werkreihe ‹Shedding Skin› und in ‹Hundred Heads› die Sehnsucht nach Selbstermächtigung. Die erste Einzelausstellung in Deutschland macht uns mit ihrem ganzheitlichen Daseinsverständnis anhand von über hundert Zeichnungen und Aquarellen vertraut.
→ Grimmwelt Kassel, bis 24.4. ↗ www.grimmwelt.de
→ ‹The Other Kabul – Remains of the Garden›, Kunstmuseum Thun, 2.9.–4.12. ↗ www.kunstmuseumthun.ch
Institutionen | Land | Ort |
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Grimmwelt Kassel | Deutschland | Kassel |
Kunstmuseum Thun | Schweiz | Thun |
Ausstellungen/Newsticker | Datum | Typ | Ort | Land | |
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The Other Kabul | 03.09.2022 – 04.12.2022 | Ausstellung | Thun |
Schweiz CH |
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Necla Rüzgar: »My Name Was Written On Every Page« | 04.11.2021 – 24.04.2022 | Ausstellung | Kassel |
Deutschland DE |
Dominique von Burg |
Necla Rüzgar |