Julian Rosefeldt — Tanz ums goldene Kalb des Geldes
Den deutschen Künstler Julian Rosefeldt kennt man für seine aufwendig produzierten und raumgreifenden Film- und Videoinstallationen. Jetzt dient die gigantische Gebläsehalle des Weltkulturerbes Völklinger Hütte im südwestdeutschen Saarland als Ort einer grandiosen Werkschau.
Julian Rosefeldt — Tanz ums goldene Kalb des Geldes
Völklingen — Ein Liebeskranker, der sich aus dem Fenster stürzt, nur um als Untoter in einer surreal verfremdeten Welt der «Roaring Twenties» aufzuwachen. Ein Tiger, der mit der Stimme von Cate Blanchett räsonierend und singend durch einen menschenleeren Supermarkt streift. Oder eine Bankhalle, in der Angestellte wie Kund:innen urplötzlich in einen gleichermassen euphorischen wie streng choreografierten Tanzrausch verfallen. Um der höheren Logik von Kunst und Wahrheit willen hebeln Julian Rosefeldts Film- und Videoinstallationen die Gesetze von Natur und Gesellschaft aus.
Die grandiose Werkschau des in Berlin lebenden deutschen Künstlers in dem zum Kulturzentrum umfunktionierten Weltkulturerbe Völklinger Hütte im deutschen Südwesten legt einen Querschnitt durch ein höchst wandlungsfähiges und facettenreiches Œuvre – vom einminütigen Video bis zu ‹Euphoria›, einer knapp zweistündigen immersiven 24-Kanal-Filminstallation. Das 2022 vollendete Werk, das im Industriedenkmal seine institutionelle Europapremiere erlebt, bildet das Herzstück der Schau. Man darf die Auftragsarbeit der Ruhrtriennale und des Sydney Festivals getrost zu den kühnsten und ambitioniertesten Schöpfungen zeitgenössischer Bewegtbildkunst zählen. Es geht darin um die Dynamik des Kapitalismus und die entfesselte neoliberale Marktwirtschaft. Seinen Figuren legt Rosefeldt Zitate von Einstein bis zu Adorno, von Houellebecq bis zu Snoop Dog in den Mund. Da philosophieren fünf fiktive Obdachlose über Wirtschaftstheorie. Da tauschen sich Arbeiterinnen am Paketlagerband von Amazon über ihre Arbeitsbedingungen und die Situation der Frau aus. Oder es vollführen Bankerinnen wie Bankkunden in der riesigen Empfangshalle eines Geldinstituts einen Tanz ums Goldene Kalb der Ein- und Anlagen. Kommentierend, nach Art des Chors antiker Tragödien, begleitet den filmischen Streifzug durch die Geschichte der menschlichen Gier der Gesang des Brooklyn Youth Chorus. Für akustischen Drive und Rhythmus sorgen die Drums von fünf namhaften Schlagzeugern.
Die Filminstallation ‹The Swap› zelebriert demgegenüber in Endlosschleife die Absurdität undurchschaubarer Finanztransaktionen. Die dystopischen Endzeitvisionen ‹In the Land of Drought› und ‹Penumbra› wiederum sind ein Abgesang auf das Anthropozän, wie er auch schon in der düsteren Vision des Titels der Schau anklingt: ‹When We Are Gone›.
Institutionen | Land | Ort |
---|---|---|
Weltkulturerbe Völklinger Hütte | Deutschland | Völklingen |
Ausstellungen/Newsticker | Datum | Typ | Ort | Land | |
---|---|---|---|---|---|
Julian Rosefeldt — When we are gone | 11.12.2022 – 03.09.2023 | Ausstellung | Völklingen |
Deutschland DE |
Hans-Dieter Fronz |
Julian Rosefeldt |