Pavel Pepperstein bei Elisabeth Kaufmann
Neben einer Reihe von Aquarellen wirft der Film «Hypnosis» des russischen Künstlers Pavel Pepperstein auf schalkhafte Art existenzielle und kulturpolitische Fragen auf.
Pavel Pepperstein bei Elisabeth Kaufmann
Selbst abgebrühte Pornokonsumenten und -konsumentinnen mögen angesichts des Films «Hypnosis» von Pavel Pepperstein irritiert sein. Nicht etwa wegen allzu deftiger sexueller Handlungen, sondern eher auf Grund der weit gehenden Abwesenheit von Handlung, die sich darin erschöpft, dass eine junge Frau auf ein männliches Glied blickt. Sie setzt nicht etwa zu einem Blow Job an, sondern starrt unentwegt - hypnotisch, wie der Titel nahe legt - auf den Phallus, der unter ihrem Blick langsam zu erigieren beginnt. Untermalt wird die Szene von einer Bachsonate. In dieser Konstellation sehen wir nacheinander sechs verschiedene Frauen im Profil gegenüber morphologisch unterschiedlichen männlichen Geschlechtsteilen. Die Naheinstellungen der Profile gegenüber dem stark angeschnittenen männlichen Körper sind formal knapp und minimalistisch, doch inhaltlich eröffnet sich eine ganze Palette von Assoziationen. Zunächst bleibt unklar, wer wen hypnotisiert: die Frauen in der Rolle von Schlangenbeschwörerinnen? Oder wird im Gegenteil die Frau durch den langsamen, direkt vor ihren Augen stattfindenden Erektionsprozess hypnotisiert? Da wir nicht wissen, ob der Mann sich zwecks erfolgreicher Erektion einen Pornofilm anschaut, liegt das hypnotische Potenzial eindeutig bei den Frauen. Die Erste ist sehr jung und schüchtern. Sie empfindet die Situation als lächerlich, schielt immer wieder auf die Seite und hält sich vom Penis etwas auf Distanz. Als er sich aufrichtet und ihr entgegenreckt, muss sie lächeln. Die Zweite, mit einem markanten Profil, scheint ihr Gegenüber in einem distanziert-intellektuellen Habitus wie einen Forschungsgegenstand zu betrachten. Der Dritten steht etwas leicht Verachtungsvolles ins Gesicht geschrieben, während die Letzte ganz und gar hingebungsvoll ist und beinahe in Tränen ausbricht.
Die Arbeiten von Pavel Pepperstein sind eng mit dem konzeptuellen Diskurs der Künstlergruppe «Medical Hermeneutics» verbunden, die Pepperstein mit Yuri Leiderman und Sergej Anufriev nach dem Niedergang der Sowjetunion gegründet hat. Dabei war es ihr Ziel, sich von den gängigen Kunstformen zu distanzieren und eine weit gehend autonome Subkultur mit einer eigenen künstlerischen Sprache zu schaffen.
«Hypnosis» spricht zunächst ganz existenzielle Fragen an, nämlich die Beziehung zwischen Mann und Frau und ihre Wesensverschiedenheit als Quelle von ständigen Missverständnissen und eines ewigen seelischen Widerstreits. Während die Männer in der Welt primär Objekte erkennen, suchen Frauen Beziehungen, die sie zu idealisieren pflegen. Eine Sehnsucht, welche die Autonomie der Frauen einschränkt und ihr Urvertrauen in ihre weibliche Kraft durch die Dominanz des Phallus schwächt. Demgegenüber weisen die Aquarelle auf eine Welt, wo das Phallische neben seiner althergebrachten Interpretation als Fruchtbarkeitssymbol eine andere Bedeutung hat. Mit den Gegenüberstellungen von Gesicht und Staatsflagge evozieren sie einen patriarchalen Kontext mit dem Phallus als Symbol in einem Denksystem von Männermacht.
Dominique von Burg |
Pavel Pepperstein |
Lisl Ponger |