Annelise Coste im Kunsthaus

Annelise Coste · Explain T, 2004, Airbrush auf Papier, 176 x 124 cm, MMK Arnhem (NL)

Annelise Coste · Explain T, 2004, Airbrush auf Papier, 176 x 124 cm, MMK Arnhem (NL)

Besprechung

Affekte, Gefühlsregungen und Stimmungen entladen sich in den Airbrush-Arbeiten, Objekten und Texten von Annelise Coste. Die erste grosse Einzelausstellung der französischen Künstlerin lädt zu einem Wechselbad der Gefühle zwischen Revolte, unverblümtem Selbstausdruck und Sehnsucht nach Harmonie ein.

Annelise Coste im Kunsthaus

«loin» steht in blauer Neonschrift in einem weissen, leuchtenden Flügel aus Neon geschrieben. Dieses Sehnsuchtswort par excellence taucht dutzende Male auf neben «cours» oder «rien ne t'arrète». Wovor die 1973 bei Marseille geborene Künstlerin flüchten will, die unter dem Regime von Le Pen aufgewachsen ist und nun in Zürich lebt, drücken grossformatige Airbrush-Arbeiten und dicht beschriebene Zonen mit bunten Wörtern auf wolkigem Hintergrund aus. Zwischen kindlich gesprayten Blumen in einer impressionistischen Farbigkeit und bunten, ornamental dahinschlingernden Linien scheinen Notate wie «Police partout», «Stupeur et Trouble», «Rebel» auf, die vielfach refrainartig, gleichsam skandierend wiederholt werden. Immer wieder begegnet man dem Ausruf «merde», «merde aux flics» oder «Merde la hierarchie aux flics» in einem Blatt mit schwarzen Gitterstrukturen. Die Flucht selbst wird iterativ mit den Worten «loin, loin, loin», «partir», «court» und «run» magisch beschworen. In den milchigen Fensterscheiben des Seitenlichtsaals im Erdgeschoss des Kunsthauses sind Gedichte in ungelenker, fast kindlicher Schrift eingeritzt und man assoziiert Erinnerungen aus der Kindheit, als angelaufene Autoscheiben zum Zeichnen und Schreiben inspirierten.

Angst vor dem weissen Blatt oder der weissen Wand scheint Annelise Coste nicht zu hegen. Im Gegenteil, mit spontanen, zornigen, auch zärtlichen Gesten überzieht sie die Wände mit Wörtern und Konfigurationen, welche an Telefonkritzeleien erinnern und als bildnerische Elemente fungieren. Gleichzeitig werden emotionale Botschaften geäussert und existenzielle Fragen aufgeworfen. Herrlich erfrischend, einer 32-jährigen Frau zu begegnen, die noch erfüllt vom lodernden Zorn der Adoleszenz ist, welchen sie in graffitiähnlichen Aktionen auszuleben sucht und den Autoritäten und scheinbar unumstösslichen Machtverhältnissen ihr «NON» entgegenschleudert. So wie ihr Zorn heftig, so ist ihr Traum von einer Welt, die frei von Flics und Machtstrukturen ist, ungebrochen. Er scheint auf in der diaprojizierten Fotoserie «EL DORADO», 2003, die kleine Szenen mit kleinen zoomorphen Tonfigürchen in einer mit Goldfolie ausgeschlagenen Schachtel vorführen. «Situations philosophico-existentielles» nennt die Künstlerin diese Szenen, die sich vor dem Hintergrund von wolkenähnlichen Gebilden über irreal spiegelnden Flächen abspielen. Der Traum ist auch von unbeirrter Hoffnung und Sehnsucht nach Harmonie erfüllt, wovon die hingekritzelten Gedichte in den Fensterscheiben sprechen: «Les tremblements interieurs, les empathies, et, de là, reconcilier les noirs et les blancs.» Da ist man einmal mehr frustriert ob der anthropologischen Konstante, nach der die utopische Kraft mit dem Machtzuwachs exponenzial abnimmt.

Bis 
30.04.2005

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