Christoph Büchel, «Raum für Sexkultur»
Christoph Büchel, «Raum für Sexkultur»
Welche Anstrengungen wurden bisher nicht alle unternommen, um den Kunsttempel der Wiener Secession, das Symbol des autonomen White Cube, zu transformieren: ein Gang durch den Hauptraum gelegt, um hinter dem Gebäude soziale Happenings stattfinden zu lassen; die Fassade rot gestrichen; der Hauptraum zugemüllt; Labyrinthe angelegt; ein Oldtimermuseum installiert; ein McDonalds-Lokal nachgebaut; Obdachlose bewirtet. Diesem internen Gesetz, sich in die Ausstellungsgeschichte der Secession mit einer möglichst spektakulären Geste einzuschreiben, hat sich auch der Künstler Christoph Büchel gebeugt. Sein in den Kellergeschossen eingerichteter Swinger-Club, der für die Dauer der Ausstellung als «Raum für Sexkultur» abends geöffnet hat und von einem privaten Veranstalter betrieben wird, ist vom Anspruch begleitet, Institutionskritik mit den Mitteln der Vermarktung auf ein möglichst plakatives Niveau zu heben. Wenn auch die Verquickung von Kunst, Kommerz und Sex («Wir zahlen nicht für Gruppenorgien», so der Kommentar eines Politikers) kurzfristig für Aufregung in Wien gesorgt hat, so wurde das «Skandälchen» (ORF) in der Öffentlichkeit doch eher nüchtern bis amüsiert abgehandelt: Avantgarde-Routine. Christoph Büchel bezog sich dabei auf die Geschichte des Hauses, indem er mit Gustav Klimt auf einen massentauglichen Vorgänger-Provokateur in der Schnittmenge von Kunst, Sex und Skandal verwies.
So muss man denn, will man die Permanentinstallation von Klimts berühmtem Beethovenfries in der Secession sehen, erst durch die
aufwändig eingebauten Nachtclubkammern, vorbei an Separées, falschen Palmen und Kleenex-Boxen gehen. Zum Projekt gehört auch, dass die Fassaden des Gebäudes für Werbung vermietet werden: Auf der einen Seite wird für Klopapier geworben, auf der anderen für Duftspray. Bei soviel ökonomischer Kalkulation erwartet man einen gewissen Mehrwert beim Besuch der Ausstellung. Dieser findet sich eher spärlich, indem hin und wieder auf den Spirit des Ortes verwiesen wird: In der Sauna kann ein Modell der Secession studiert werden, in den Durchgängen hängen schlechte Kopien von Klimtbildern und im hintersten Eck des Beethovensaals ist eine Kinderecke eingerichtet. «Der Zeit ihre Kunst, der Kunst ihre Freiheit» steht normalerweise in Goldbuchstaben unter der Jugendstilkuppel der Wiener Secession. Büchel transformierte auch dieses Motto, indem er eine kaum erkennbare Blendwand anbringen liess mit dem Text: «Der Kunst ihre Kunst, der Freiheit ihre Zeit.» Eine kokette Umwandlung des Mottos in ein Mottöchen: Denn natürlich verdankt sich auch Christoph Büchels temporärer Kommerztempel in erster Linie der ständig erneuerten Autonomiebehauptung von Seiten der Institution selbst.
Institutionen | Land | Ort |
---|---|---|
Wiener Secession | Österreich | Wien |
Christoph Büchel |
Patricia Grzonka |