Den Horizont in der Hand halten
Den Horizont in der Hand halten
In der Kunsthalle Winterthur lassen sich derzeit seltsame Apparaturen betrachten. Zwar haben die von Bignia Wehrli (*1979, Uster) ersonnenen Objekte ihren Ursprung in vertrauten Alltagsmaschinen wie Kameras und Instrumenten, doch sind sie selbst gebaut für besondere Vorhaben, sodass sich einige Fragen aufdrängen. Die erste Frage, wie solch ein selbst gebautes Instrument klingen könnte, wird bereits beantwortet, bevor die Schwelle der Kunsthalle übertreten ist. Zärtliche, von der Künstlerin selbst gespielte, Tonfolgen des Ohrmeter genannten Streichinstruments hallen durch die hohen Räume in der Altstadt Winterthurs. Jedoch nicht als Performance in Wehrlis Anwesenheit, sondern als Tonspur einer Dreikanal-Videoinstallation; diese ist ein Element der Arbeit ‹Triklang›, 2012/2018, in der die Künstlerin mithilfe des Ohrmeters eine akustische Landvermessung Sachsens vorgenommen hat. Womit die Frage, warum Wehrli ein Instrument gebaut hat, ebenfalls beantwortet ist. Auch wenn der Grund, warum die Wahl auf Sachsen fiel, unbeantwortet bleibt und Raum für individuelle Spekulationen lässt. In der Kunsthalle zu sehen ist also das Instrument, ausgestellt wie ein Artefakt, eine Videoinstallation, die das Instrument in Benutzung zeigt und, als letzter Baustein, die Ergebnisse der akustischen Landvermessung als gedruckte Partitur - zerlegt in 36 gerahmte Bilder entsprechend der 36 Messpunkte, die Bignia Wehrli wählte. Eine charakteristische Präsentationsform der Künstlerin, die oft konzeptionelle, performative und bildnerische Aspekte vereint.
Die Präsentation der zweiten Arbeit, mit dem Titel ‹Sonnenzirkel - Rhein›, 2017, folgt dem gleichen Muster: eine überdimensionierte, schwimmfähige und natürlich ebenfalls selbst gebaute Lochkamera liegt in der Mitte des Raumes. Daneben ist ein Video zu sehen, das die Lochkamera auf ihrer Reise über den Rhein, im Sommer und gefilmt wie durch einen Schleier, begleitet. An den Wänden wiederum werden die abstrakt anmutenden Fotografien, die den Sonnenstand an zehn Punkten der Reise festhalten, als autonome Bilder gezeigt. Es wird klar: Wehrli verfolgt eine holistische künstlerische Arbeitsweise, die dem Prozess und seiner Darstellung ebenso viel Raum gibt und Relevanz einräumt, wie der Präsentation des souveränen Ergebnisses. Es wird zusammen gezeigt was zusammengehört.
Institutionen | Land | Ort |
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Kunsthalle Winterthur | Schweiz | Winterthur |
Mathis Neuhaus |
Bignia Wehrli |