Kapwani Kiwanga, Daniel Zimmermann — Politische Strukturen
Bauelemente – mal Holzlatten, mal farbig-verführerische Oberflächen – prägen den ersten Eindruck der aktuellen Präsentationen von Daniel Zimmermann respektive Kapwani Kiwanga. Im Materialumgang kaum vergleichbar, spüren die zwei Praxen zwischen Konstruktion und Perfektion doch ähnlichen Fragen nach.
Kapwani Kiwanga, Daniel Zimmermann — Politische Strukturen
Biel — Im Eingangsbereich rund 10’000 Holzleisten in Stapeln – Erinnerung an die Aktion ‹Strukturfeld Kunsthaus Pasquart› von 1998, als Daniel Zimmermann (*1966) auf der Grundfläche des geplanten Anbaus diverse Konstellationen auslotete. Die erste Retrospektive des ausgebildeten Holzbildhauers, Performers und Filmemachers zeigt bekannte Arbeiten wie das Video ‹Lauberhornrennen im Sommer› von 2006: Man sieht, wie er auf der Strecke Holzlatten auslegt – und durch Beschleunigung der Aufnahmen der Eindruck einer seltsamen Abfahrt entsteht. Über die Jahre treten globale Phänomene stärker in den Fokus: In ‹Walden›, 2018, sind nun 13 Plansequenzen als 360 °-Filminstallation zu sehen. Darin verfolgt Zimmermann die Holzleisten zurück zum Ursprungsort. Im Nutzwald eines Benediktinerstifts im Amazonas trifft die indigene animistische Kultur auf das «katholische» kapitalistische System. Die zweite Soloschau beginnt im ersten Obergeschoss, im Durchgang zum Anbau: ‹pink-blue› gestrichen, jeweils halb und halb, lässt der Raum ein ungutes Gefühl aufkommen. Die beiden Farben haben spezifische Wirkungen: Erstere soll in Zellen die Aggression, letztere in Unterführungen den Drogenkonsum vermindern. Kapwani Kiwangas (*1978, Hamilton) Architekturen prägt eine «Doppelnatur»: Der Raumteiler ‹Jalousie› etwa besteht aus dem namensgebenden Element sowie Zweiwegspiegeln und verbindet koloniale Mittel der sozialen Kontrolle mit der heutigen Überwachung. So schafft die in Paris lebende Künstlerin in ihrer vielfältigen Praxis Werke von ausdrucksstarker Materialität, denen zugleich die Recherchen zu kolonialen Themen eingeschrieben sind. ‹Greenbook (1961)›, im Gang des Pasquart präsentiert, ist eine minimalistische Textarbeit mit Auszügen aus dem historischen ‹Green Book›, das noch 1961 sichere Orte für US-Afroamerikaner listete, als formal, nicht aber faktisch, die Rassentrennung bereits aufgehoben war. Kiwangas Schaffen greift, das ist ihre Stärke, nicht bloss eine Kultur auf, oft sind Arbeitsmittel, wie das Schattiernetz für Pflanzen, gar als allgemeine Symbole für Landaneignung zu lesen. Auch wenn beide Kunstschaffenden in abstrakten Themen Gemeinsamkeiten aufweisen – etwa die Art und Weise, wie sich in ihren Werken gewisse Strukturen im Raum manifestieren –, sind die Strategien doch gegensätzlich: Zimmermann offenbart quasi den Blick hinter die Kulissen und den Prozess, während Kiwanga mittels einer fast perfekten «Oberfläche» den Blick fürs Dahinter schärft. Gerade dieser Unterschied macht den Vergleich der zwei Positionen interessant.
Institutionen | Land | Ort |
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Kunsthaus Centre d'art Pasquart | Schweiz | Biel/Bienne |
Ausstellungen/Newsticker | Datum | Typ | Ort | Land | |
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Daniel Zimmermann | 02.02.2020 – 14.06.2020 | Ausstellung | Biel/Bienne |
Schweiz CH |
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Kapwani Kiwanga | 02.02.2020 – 14.06.2020 | Ausstellung | Biel/Bienne |
Schweiz CH |
Adrian Dürrwang |
Kapwani Kiwanga |
Daniel Zimmermann |