Stormy Weather — Von Wolken und Wüsten
Das Centre culturel suisse lädt mit ‹Stormy Weather› zum Nachdenken über die gegenseitige Bedingung von Computer-Clouds und Wolkenmassen. Was im privatisierten Datenspeicher-Netz entgleitet wie Wasserdampf, erweist sich als höchst materielle Manipulation, Antrieb immer neuer Datenströme.
Stormy Weather — Von Wolken und Wüsten
Paris — Wolken: Luftige, ephemere Gebilde sind alles andere als leicht. Eine durchschnittliche Schönwetterwolke wiegt 1000 Tonnen – so viel wie 100’000 PCs oder 140 Millionen Smartphones. Um Materialisierung geht es dem schweizerisch-österreichischen Kuratorinnen-Duo Claire Hoffmann und Katharina Brandl. Mit ihrer für das kleine Format etwas ambitionierten Studienausstellung wollen sie zeigen, «was in der Wolke vor sich geht». Gemeint ist die «Cloud», jenes unüberschaubare Gebilde aus Einzelgeräten, tausenden Kilometern Kabeln und Server-Plantagen, die allein 2 Prozent des gesamten CO2-Ausstosses ausmachen.
Dass Technologien, die eine Lösung der Klimakatastrophe versprechen, diese zugleich antreiben, führt ‹Your phone needs to cool down› des schweizerischen Kollektivs Fragmentin mit Humor vor: Ein in einem Terrarium aufgeheiztes Smartphone versucht verzweifelt, kühl zu bleiben. Längst Gegenstand gezielter Eingriffe, ist die Wolke in der Kunstgeschichte auch Symbol für den Heiligen Geist. Das nutzt der Tech-Sektor: Die «Cloud» wirkt metaphysisch unzugänglich, verkörpert wie die Landschaft das Erhabene. Einst Sinnbild für die Freiheit des Denkens, versicherte diese noch vor der überwältigendsten Macht, wie Schiller formulierte: «Kein Mensch muss müssen.»
Was aber, wenn die Erhebung des Wanderers über das Nebelmeer kapitalistischen Mehrwert produziert, Server antreibt, Manipulationen dient? Die auf zwei Bildschirmen flimmernde, mit Kommentaren überzogene Dauer-Trump-Sendung des Schweizers Marc Lee zeigt die Auswirkungen. Gegenüber führt das österreichische Duo Susanna Flock und Leonhard Müllner auf in einem Ziergarten eingegrabenen Bildschirmen anhand synthetischer Himmel aus Videospielen die Verflachung des Sublimen zum «Wow»-Moment vor. Dass hinter all dem Festen, das mit kapitalistischer Industrialisierung in Dampf aufging, noch immer Maschinen stampfen, lässt der in Wien lebende Basler Stefan Karrer ahnen. In unbarmherzigem Algo-Rhythmus werden Wolkenbilder aufgerufen und benannt: «eine kleine weisse Wolke» oder «Wolke mit ausgefranstem Rand». ‹Money is a Form of Speech› – das österreichische Kollektiv Total Refusal gibt mit seinem gelungenen Vortrag in Videospiel-Gestalt Anstösse zum Widerstand in der digital-neoliberalen symbolischen Ordnung. Die Kuratorinnen wünschen sich: «Wir können nicht alle technologischen Zusammenhänge verstehen, aber Fragen stellen, kritisch denken müssen wir.»
Ausstellungen/Newsticker | Datum | Typ | Ort | Land | |
---|---|---|---|---|---|
Stormy Weather - Susanna Flock & Leonhard Mullner, Fragmentin, Stefan Karrer, Till Langschied, Yein Lee, Marc Lee, Christiane Peschek, Total Refusal, Christoph Wachter & Mathias Jud | 15.12.2020 – 24.01.2021 | Ausstellung | Paris |
Frankreich FR |
Susanna Flock | |
Hyein Lee | |
Marc Lee | |
Christiane Peschek |
J. Emil Sennewald |