À bruit secret — Das Hören als multisensorisches Spektrum

Christina Kubisch · Il reno, 2023, Ausstellungsansicht Museum Tinguely, Basel. Foto: Daniel Spehr

Christina Kubisch · Il reno, 2023, Ausstellungsansicht Museum Tinguely, Basel. Foto: Daniel Spehr

Marcel Duchamp · À bruit secret (With Hidden Noise), 1916/64 (vorne), Centre Pompidou, ­Mnam-Cci, Paris © Association Marcel Duchamp / ProLitteris; Isa Genzken, Ohr, 1980, © ProLitteris, Ausstellungsansicht ­Museum Tinguely, Basel. Foto: Daniel Spehr

Marcel Duchamp · À bruit secret (With Hidden Noise), 1916/64 (vorne), Centre Pompidou, ­Mnam-Cci, Paris © Association Marcel Duchamp / ProLitteris; Isa Genzken, Ohr, 1980, © ProLitteris, Ausstellungsansicht ­Museum Tinguely, Basel. Foto: Daniel Spehr

Besprechung

In der Reihe von fünf Themenausstellungen zu den menschlichen Sinnen zeigt das Museum Tinguely in Basel als vierte Schau 25 internationale künstlerische Positionen, die sich mit dem Phänomen des Hörens auseinandersetzen. Dabei werden weit mehr Bereiche des Körpers als nur das Ohr angesprochen.

À bruit secret — Das Hören als multisensorisches Spektrum

Basel — Der Hörsinn beschränkt sich nicht nur auf akustische Wahrnehmungen. Das wird in der aktuellen Ausstellung im Museum Tinguely deutlich, die Sound als Ausgangspunkt für eine multisensorische Herangehensweise ergründet. Skulpturen, Installationen, Fotografien, Papierarbeiten und Gemälde von sowohl bekannten, teilweise historisch bedeutenden Positionen als auch von zeitgenössischen Künstler:innen werden in insgesamt zwölf verschiedenen Räumen gezeigt.
Die Besuchenden werden auf eine klangliche Reise geschickt, die am Rhein beginnt – dort, wo die Architektur des Hauses mit dem Aussen verschmilzt und dessen Geräusche nach innen holt. Über Kopfhörer folgen wir der neuen Soundinstallation von Christina Kubisch (*1948), schreiten die Glasfassade entlang des Flusses ab, während durch elektromagnetische Ströme die von der Künstlerin zuvor aufgenommenen Klänge des Rheins übertragen werden. Dabei spielt die Verschmutzung durch Tanklaster ebenso eine Rolle wie die Poesie des Plätscherns.
Gehen wir weiter, zeigt uns eine Fotografie aus einer bekannten Serie von Isa Genzken aus den 1980er-Jahren ein Ohr – das Organ für unseren Hörsinn. Ausgehend von dieser physiologischen Grundlage tauchen wir ein in Synästhesien und in eine Gleichzeitigkeit von sonst in der Kunst oft getrennt voneinander auftretenden Sinneswahrnehmungen. Eine Aufnahme und visualisierte Komposition von Kurt Schwitters’ ‹Ursonate›, 1922–1932, führt die menschliche Stimme als Klanginstrument, hier als lautpoetisches Element ein. Später erleben und hören wir in einer mit einem Vier-Kanal-Soundsystem ausgestatteten Installation von Alexander Tillegren (*1991) Phantomworte, die als neuropsychologische Hörtäuschungen dem Gehirn vorgaukeln, dass es aus dem abstrakten Sound Wörter heraushören könne. Dabei ist der Klang auch physikalisch, körperlich als Vibration durch die Schallwellen spürbar. Die physische Bewegung von Sound wird auch in den aktuellen Arbeiten der in Berlin lebenden Künstlerin Jorinde Voigt (*1977) spür- beziehungsweise sichtbar: Aus farbigem Papier geschnittene Formen geben die Geste der Künstlerin wieder, die sie mit einem Skalpell zu Musik ausführte. Die Einzelteile bilden eine Art Meta-Rhythmus und fügen sich an der Wand zu voluminösen Skulpturen zusammen. So dringt das Phänomen des Hörens auf weitere Ebenen der menschlichen Wahrnehmung vor und lässt uns staunend immer weiter lauschen. 

Bis 
14.05.2023
Ausstellungen/Newsticker Datum Typ Ort Land
À bruit secret 22.02.202314.05.2023 Ausstellung Basel
Schweiz
CH

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