Leben mit Kunst
In Ausstellungskatalogen gehören Angaben über die Eigentumsverhältnisse eines Kunstwerkes gemeinhin in den Bereich des Kleingedruckten und diesen Hinweisen wird meist wenig Gewicht beigemessen. Mehr noch, die Abbildungen in einem Katalog suggerieren ein vollständig vorhandenes, verfügbares Gesamtwerk. Tatsächlich aber sind die einzelnen Werke in alle Winde zerstreut, hängen bei Sammlerinnen und Sammlern, deren Lebenskontext sie prägen. An eben diesem Nachleben, das auf den künstlerischen Schöpfungsakt und eine Ausstellung folgt, orientiert sich Caro Niederers Bildserie der «Interieurs».
Leben mit Kunst
Interieurs von Caro Niederer
Seit ein paar Jahren schon besucht die Künstlerin ihre Sammler und fotografiert die eigenen Werke in ihrem neuen Kontext. Die auf ein lebensgrosses Format gebrachten Fotografien vermitteln ganz unterschiedliche Stimmungen, wirken so atmosphärisch wie der Arbeitsplatz einer umtriebigen Kunstvereinspräsidentin, wo Niederers kleinformatiger Blumenteppich in einer bunten Nachbarschaft aufgeht, oder so stilbewusst wie das Esszimmer eines Junganwaltes, dessen kühle Eleganz vom Digitaldruck eines modernistischen Hotels unterstrichen wird. Anders als die Amerikanerin Louise Lawler, die durchwegs berühmte, kunsthistorisch schwer befrachtete Werke in den Privaträumen von nicht minder bedeutenden Sammlern dokumentiert und das Verhältnis von Kunst und gesellschaftlicher Macht kritisch tangiert, dreht sich Caro Niederers Arbeit um jene fast beiläufigen Verschiebungen, wie sie sich aus einem liebevollen Austausch zwischen Kunst und Alltag ergeben. Diese Haltung prägt ihr gesamtes Schaffen: aus privaten Fotografien wurden kleinformatige Ölbilder, die ihrerseits wieder als Postkarten reproduziert und in einem weiteren Schritt als Vorlagen für Seidenteppiche verwendet wurden. Sei das Motiv nun eine Badende von Ingres oder ein Foto des eigenen Kindes – die auf einen häuslichen Kontext anspielende Materialität der Teppiche schafft eine intime Atmosphäre, in der hierarchische Wertunterschiede verflachen. Caro Niederer betreibt eine intuitive Verquickung von Kunst und Alltag, führt Eigenes und Fremdes vorurteilslos zusammen: Sepiabraune Ölbilder verweisen auf die Frühzeit der Fotografie und reflektieren letztlich, da eigentlich auf Ferienfotos basierend, den eigenen Standpunkt innerhalb einer kunsthistorischen Entwicklungsgeschichte im Rückgriff auf private Lebenswirklichkeit.«Leben mit Kunst» – so der Titel ihrer letzten Ausstellung in der Zürcher Galerie Brigitte Weiss – kann als Motto für das gesamte Schaffen Caro Niederers verstanden werden. Die Rückgriffe und Neusichtungen, die es prägen, vollziehen sich alle unter der Perspektive einer Rückkoppelung an das Private. So erweist sich die jüngste Arbeit der Künstlerin, ein organgefarbener Skulpturkörper, als ein Regal, auf dem sich bunte Wollpullover stapeln. Auf diese sind in geschwungenen Schriftzügen die Titel früherer Ausstellungen und Projekte gestickt. Es ist, als ob Caro Niederer ihre eigene Geschichte als Künstlerin und damit den öffentlichen Aspekt ihrer Existenz Revue passieren liesse, um sich diesen in Form von Kleidungsstücken erneut anzueignen. Indem die Künstlerin Abgeschlossenes, Vergangenes und Weggegebenes unter die Perspektive des Privaten stellt, gelingt es ihr nicht nur, neue Formen des Einbezugs des Publikums zu erproben, sondern diesen Austausch als prägende Komponente eines sich stetig weiterentwickelnden Werkprozesses zu thematisieren.
Caro Niederer |
Claudia Spinelli |