Cristina Fessler bei Lutz & Thalmann

Cristina Fessler · Ashvem-Block, Eisenstaub und Gouache auf Papier, 40 x 28,5 cm, 2005/2006

Cristina Fessler · Ashvem-Block, Eisenstaub und Gouache auf Papier, 40 x 28,5 cm, 2005/2006

Besprechung

In drei neuen Zeichnungsserien lässt Cristina Fessler Erscheinungen zwischen Werden und Vergehen in einem fast zufälligen Spiel erstehen.

Cristina Fessler bei Lutz & Thalmann

Zu Beginn dieses Jahres hielt sich die Zürcher Künstlerin Cristina Fessler (*1944) einige Wochen in Indien, im Grenzgebiet zwischen Goa und Maharashtra auf. Zurückgezogen in einer Baumhütte lebend, fühlte sie sich der wuchernden Natur gänzlich ausgesetzt und gleichzeitig von der unbekannten Umgebung inspiriert. Da sie stets Eisenstaub und Bleistifte bei sich hat, begann sie ihre Eindrücke und tief empfundene Freude mit diesen bescheidenen Materialien spielerisch festzuhalten. So malte sie mit Wasser, das mit Zitronensaft vermischt war, auf Papier, streute Eisenpulver und Graphit darauf, bewegte die Blätter oder blies darauf und legte sie an die Sonne. Durch den Oxydationsprozess entstanden die Farben Gelb und Rot ? das Unsichtbare schien in Gebilde transformiert, die Träumen und Fantasien entstiegen sein könnten. Dabei liess sich Cristina Fessler weitgehend vom Zufall leiten; einer Zufälligkeit, die allerdings mit Kontrolle gepaart ist, welche schon seit langem Fesslers Schaffen antreibt. Die Kompositionen des hier ausgestellten «Ashvem-Blocks» I und II erinnern an Tierhaftes, an exotische Pflanzenwelten und selten an anthropomorphe Gestalten. Die tierhaften Wesen schmiegen sich als klar konturierte Konfigurationen an astähnliche Gebilde an und erinnern an schlafende oder in sich versunkene Tiere. Cristina Fessler wollte damit nicht so sehr Fantasien wecken, als vielmehr zärtliche Berührungen im zeichnerischen Medium wiedergeben. Unvermittelt bricht in diese Stille und Konzentration der «Monsoon» ein, der sich mittels nach allen Seiten hin ausgreifenden Farbspritzern und -spuren geradezu explosiv in die Umgebung zu entladen scheint. Der Monsun verhilft der Natur zu einem produktiven Überschuss, wie man ihn gerade am Bodhi-Baum, dem sagenhaften Baum der Erleuchtung Buddhas, bewundern kann. Das drängend schnelle und pulsierende Wachstum dieses auch Ficus religiosa genannten Baumes, der Luftwurzeln bildet und bis zu dreissig Meter hoch werden kann, hat Cristina Fessler mit energetisch wirkenden Bleistiftlinien zu erfassen versucht. Demgegenüber findet der Prozess des Wassers mit einem passiven, nach unten gerichteten «Dripping» eine adäquate Metapher, welche sich spontan mit Regenwäldern assoziieren lässt.

Persönliche Erinnerungen an die eigene Lebensgeschichte blitzen hier immer wieder auf, analog zu früheren Arbeiten, wie in den in Budapest entstandenen Mappings: «Wege - Spuren», 2003-2004. Es scheinen immer wieder Reisen zu sein, die Cristina Fesslers künstlerisches Arbeiten weiterbringen. So fruchtete 1993 ihre Reise ins Nagaland, nahe der Grenze zu Burma, im Projekt «Nagaland» und wies mit den subtilen archaisch wirkenden Zeichnungen und Skulpturen nach ihren aktionistischen «Schichtungen» von 1983-1996 in eine neue Richtung.

Nachdem nun Cristina Fessler seit längerem um eine formale Reduktion gerungen hat, sind ihr in Ashvem überzeugende Lösungen gelungen. So wirken die hier entstandenen Zeichnungen derart leicht und zart, dass ihnen zuweilen auch etwas Geisterhaftes aneignet. Sie leben vom magischen Prozess einer Malerei ohne Farben, den die Künstlerin lediglich initiiert.

Bis 
05.05.2006
Autor/innen
Dominique von Burg
Künstler/innen
Cristina Fessler

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