Lucy & Jorge Orta und Fabian Marti bei Peter Kilchmann

Lucy & Jorge Orta · Fallujah - Press Conference Al Jazeera, 2007, diverse Materialien, 140 x 35 x 35 cm

Lucy & Jorge Orta · Fallujah - Press Conference Al Jazeera, 2007, diverse Materialien, 140 x 35 x 35 cm

Besprechung

Das Künstlerpaar Lucy und Jorge Orta ist bekannt geworden für seinen interventionistischen Ansatz im öffentlichen Raum. In Installationen und Theaterstücken setzen sich die beiden intensiv mit aktuellen politischen Ereignissen und sozialen und wirtschaftlichen Fragen auseinander.

Lucy & Jorge Orta und Fabian Marti bei Peter Kilchmann

Mit dem Projekt «Fallujah» reagieren Lucy und Jorge Orta auf die alles zerstörende Offensive gegen die irakische Stadt Fallujah vom April bis November 2004, als das US-Militär weissen Phosphor und Napalm eingesetzt hatte und weder Frauen noch Kinder verschonte. Auf den letzten Aspekt verweisen verschiedene Haufen von Kinder- und Erwachsenenschuhen, die im Hauptraum der Galerie aufgetürmt sind und an nicht mindere düstere Kapitel aus
der deutschen Geschichte denken lassen. Auf Tragbahren liegen textile Skulpturen, die eine Mischung aus Schlafsäcken und Kleidungsstücken zu sein scheinen und den Kriegsopfern sowohl Schutz als auch Überlebenschancen gewähren sollen. Diese multifunktionalen Kleidungsstücke nennt die ausgebildete Modedesignerin Lucy Orta (*1966, Grossbritannien) «Refugee Wear»#. Diese hat sie 1991 als Antwort auf die drastischen Bilder von kurdischen Flüchtlingen nach dem Golfkrieg und 1994 von ruandischen Flüchtlingsströmen entworfen. Für Pariser Obdachlose entwarf sie Kleidungsstücke, die mit Kapuzen und Ärmelöffnungen ausgestattet sind. Sie sind so raffiniert gestaltet, dass sie von mehreren Personen verwendet werden können, indem sie sich in zeltähnliche Schutzräume oder Schlafsäcke transformieren und aneinander koppeln lassen, damit nicht nur Obdachlose, sondern auch Flüchtlinge und Exilanten eine Art ad hoc Gemeinschaft bilden können. Diese Art von Schlafsackkleidern nennt die Künstlerin «Body Architecture». Sie sind neben der «Refugee Wear» langjährige Projekte, an denen das in Paris lebende Künstlerpaar Lucy & Jorge Orta arbeitet. Während Lucy Orta in ihren Projekten Mode, Architektur, Strassentheater und sozialen Aktivismus auf einzigartige Weise zu einer Synthese bringt, entwirft Jorge Orta (*1953, Argentinien) spektakuläre Licht-Projektionen sowohl auf Landschafts- und Kulturdenkmäler als auch für Bühnen-Installationen. Die erspriessliche Zusammenarbeit mündete in das gattungsüberschreitende Theaterstück «Fallujah», das auf Augenzeugenberichten von Kriegsopfern aus Fallujah basiert und dieses Jahr mehrmals aufgeführt und sowohl als Installation als auch als Theater im ICA und im Southbank Centre London gezeigt wird.
Im Projektraum konstruiert Fabian Marti (*1979, Freiburg/CH) unter dem assoziationsträchtigen Ausstellungstitel «Ape, Mom, I» formalistische Spiele anhand von Fotografien mit schwer befrachteter Symbolik, die einen konsterniert zurücklassen. So wenn in der schwarz-weissen Fotografie «Komposition für einen Rhombus», 2007, eine nackte Frau in Profilansicht mit nach oben ausgestreckten Armen gezeigt wird. Gespiegelt in der Senkrechten umfasst sie mit beiden Händen die Klinge eines nach unten gerichteten Schwertes. Auf Stirnhöhe kreuzen sich die Schwerter, in deren Kreuzungspunkt schliesslich der im Titel angegebene Rhombus ausgeschnitten wird. Die Erklärung des Künstlers, dass es ihm nur um diese geometrische Form gehe, scheint mir dann doch etwas einfach gestrickt zu sein.

Bis 
18.05.2007

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