Luzia Hürzeler, «Aus dem Auge»
Ein Titel, der irritiert, weil er ein Feld an gängigen Wendungen öffnet. Und weil er ins Zentrum des Sehens und der Wahrnehmung führt. Genau das schafft Luzia Hürzeler in ihrer Einzelausstellung im Kunstmuseum Solothurn mit Videos, die subtil die Möglichkeiten des Mediums ausloten. Durch Langsamkeit.
Luzia Hürzeler, «Aus dem Auge»
Sind es Stills? Hat sich da doch etwas bewegt? Plötzlich packt der Mann seine Prada-Taschen in das Leintuch ein, das er ausgebreitet hat. Die Szene spielt sich in Italien ab: Illegale, die gefälschte Taschen verkaufen, die Razzien. Diesem Bild, auf einer Bühne real inszeniert, gesellt Luzia Hürzeler (*1976) in einem Triptychon die Aufnahme eines ausgestopften Löwen bei: Bildstillstand, bis ein mächtiger Löwe gravitätisch durch das Gehege geht, seinen Rivalen aber nicht beachtet, weil er den toten, künstlichen Löwen im wörtlichen Sinn ja nicht riechen kann. Das dritte Bild zeigt einen jener Nicht-Bewegungskünstler, die als Statuen, die sich dann doch bewegen, die Publikumsgunst gewinnen wollen.
Die elementaren, komplexen Fragen, welche die Künstlerin hier stellt, sind diejenigen nach der Skulptur und nach der Inszenierung, nach dem Bühnencharakter des Bildes und nach dem Verhältnis von Bewegung und Stillstand. Hinzu kommen, beiläufig, sozialkritische Aspekte. Luzia Hürzeler schafft es, diese ästhetisch spannenden Probleme mit einer Leichtigkeit auszuloten, die auf eine genaue Reflexion schliessen lässt. Sie setzt das Video ein, indem sie das Wort «Video» wörtlich nimmt. Sie lässt die Kamera wie ein Auge beobachten, inklusive der Gefahr des Nicht- oder Über-Sehens. Etwa wie die Kamera sich, in einem Spiegel reflektiert, selbst filmt, dabei mehr und mehr in einer teigigen Masse versinkt; der Kamerablick sieht, wie er immer weniger sieht. Eine kleine, wie beiläufige, aber äusserst hintersinnige Szene nur, der gegenüber in der Ausstellung der atemberaubende Blick aus der runden Lichtluke des Pantheons in Rom steht. Man sieht das Gewimmel der Besucher, die hier wie Ameisen wirken. Und fast hat man das Gefühl, mit dem Blick der Götter auf die Menschen herabzublicken.
Was gerät aus dem oder in den Blickwinkel des Auges? Aus dem Auge, aus dem Sinn? Oder auch: Aus dem Auge hinaus gesehen - all das sind Bedeutungsfelder, die der Titel der Ausstellung öffnet. Blickfelder, die in diesem Fall mehr zu sehen geben als hektisch-dramatische oder sozialkritische Dokumentationen.
Dass dazu eine Reihe von Selbstporträts gehört, ist nur konsequent. Hier wird die Reflexion des Sehens im Selbst nochmals auf den Punkt gebracht. Etwa wenn ein leichter Windhauch das Haar bewegt, wobei allerdings der Ventilator, der real vor dem Monitor steht, das Videogesicht immer zeitverschoben streift - eine poetische Bild-Situation, die das Sehen sehender macht
Institutionen | Land | Ort |
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Kunstmuseum Solothurn | Schweiz | Solothurn |
Luzia Hürzeler |
Konrad Tobler |