Ansichten - Gespiegeltes Licht ins Bild gebannt
In ihren Blitzlicht-Skulpturen experimentiert Dominique Teufen mit dem fotografischen Medium und verschiebt den «instant décisif» vom wachen Auge des Fotografierenden auf die spezifischen Eigenschaften des Apparats. Im Moment des Fotografierens entsteht eine neue Wirklichkeit.
Ansichten - Gespiegeltes Licht ins Bild gebannt
Dass die Kunst im Auge des Betrachters oder der Betrachterin entsteht, trifft in Teufens Blitzlicht-Skulpturen nur bedingt zu. Die plastischen Gebilde aus Glas und Spiegel geben auf den ersten Blick nicht viel her: quadratische und runde Platten sind senk- und waagrecht aufeinander gebaut. Erst im Moment des Fotografierens ergeben sich die komplexen Formen. Das Blitzlicht bricht unzählige Male, das überlagernde Spiel der Ein- und Ausfallwinkel faltet die Grundstruktur wie einen immateriellen Rorschachfleck symmetrisch auf. Aber selbst im Wissen um die Mechanismen der Spiegelung, gelingt es nicht, sämtliche der entstandenen Lichtreflexionen und Schattenwürfe herzuleiten. Man glaubt durch die Würfelformen hindurch auf die dahinter liegende Wand zu blicken, sieht Tiefen und Fluchten, wo keine sind.
In gewisser Weise erfüllt Teufens Bild die gegen Ende des 19. Jahrhunderts propagierte Vorstellung einer Fotografie des Unsichtbaren, die mehr zu sehen vermag als das menschliche Auge. Damals wurden mit der Fotografie erstmals Bewegungsabläufe sichtbar gemacht (Muybridge), aber auch ganz unwissenschaftlich Geister beschworen. So lassen sich die Lichterscheinungen bei Teufen zwar physikalisch-optisch erklären und doch haftet ihnen etwas Phantomhaftes an. Dass Fotografie nicht einfach Wirklichkeit abbildet, sondern neue Wirklichkeit schafft, manifestiert sich darin besonders deutlich.
Der von Cartier-Bresson geprägte Begriff des entscheidenden Moments erfährt hier einen Bedeutungswandel. Der Augenblick des Auslösens spielt zwar bei Teufen eine zentrale Rolle für die Bildgenerierung, irrelevant ist jedoch, ob sie fünf Minuten früher oder später abdrückt. Ihre Recherchen zu Effekten und Eigenschaften des Mediums, etwa wie Licht zu Form führt, zeugen von einer dezidiert künstlerischen Haltung. Teufens Basis ist die Bildhauerei und Materialexperimente machen einen wichtigen Bereich ihrer Arbeit aus. Mit dem spezifischen Einsatz der Fotografie untersucht sie nicht nur das Spannungsfeld zwischen Zwei- und Dreidimensionalität, sondern auch jenes zwischen Identität und Differenz.
Die Blitzlichtskulpturen sprechen die unterkühlte Bildsprache eines digital gerenderten Modells; das real Gebastelte verrät sich allenfalls durch die hölzernen Tischbeine sowie kleinste Verschiebungen in der Symmetrie. Bezeichnend für unser virtuelles Zeitalter bleibt die Unsicherheit bestehen, auf welchen Eindruck oder welche Wirklichkeit wir uns verlassen wollen.
Katharina Ammann ist Konservatorin am Bündner Kunstmuseum Chur. katharina.ammann@bkm.gr.ch
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Foto Szene Graubünden | 17.04.2014 – 04.05.2014 | Ausstellung | Zürich |
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