A fleur de peau — Vienne 1900

Gustav Klimt · Frauenkopf, 1917, Öl auf ­Leinwand, 67 x 56 cm, Courtesy Lentos Kunstmuseum Linz. Foto: Reinhard Haider

Gustav Klimt · Frauenkopf, 1917, Öl auf ­Leinwand, 67 x 56 cm, Courtesy Lentos Kunstmuseum Linz. Foto: Reinhard Haider

Egon Schiele · Sich aufstützender Rückenakt, 1910, Bleistift, schwarzer Farbstift und Gouache auf Papier, 45 x 30,7 cm, Courtesy Leopold ­Museum Wien. Foto: Manfred Thumberger

Egon Schiele · Sich aufstützender Rückenakt, 1910, Bleistift, schwarzer Farbstift und Gouache auf Papier, 45 x 30,7 cm, Courtesy Leopold ­Museum Wien. Foto: Manfred Thumberger

Hinweis

A fleur de peau — Vienne 1900

Lausanne — Einem Auftaktthema par excellence, der Wiener Moderne und ihren vielen Lichtgestalten, ist die Ausstellung gewidmet, mit der das Musée cantonal des Beaux-Arts nach seiner eindrücklichen Eröffnungsschau im immensen Neubau den Normalbetrieb aufnimmt. Der Epochenbegriff steht für vieles, und so wirkt ein eher unscheinbares Exponat ganz am Schluss der von Catherine Lepdor und ­Camille Lévêque-Claudet kuratierten Schau schon fast symbolhaft – ein Regal aus der Wiener Postsparkasse, gestaltet von deren Architekt Otto Wagner, produziert von der Firma Thonet. Schnörkellos und funktional, ist es kaum mehr mit der gradlinigen, aber edlen Ästhetik der Wiener Secession vereinbar und bietet viel Platz. Dennoch würde es wohl nicht ausreichen, um alle Literatur zu dieser Zeit des Um- und Aufbruchs zu fassen. Mit der Ausstellung ‹A fleur de peau – Vienne 1900› kommt nun wieder ein Band hinzu, und vermutlich würde man ihn zum Band der Übersichtsschau ‹Wien 1900› stellen, die 2010 in der Fondation Beyeler zu sehen war. Für die Westschweiz, die in Ferdinand Hodler, Oskar Kokoschka und Adolf Loos wichtige Mittlerfiguren hat, wagt nun auch das MCBA den ganz grossen Überblick. Dafür schöpft es neben Wiener Leihgaben ebenfalls wesentlich aus Schweizer Beständen, allen voran denjenigen des Kunsthauses Zug und der dort domizilierten Stiftung Sammlung Kamm. Im Fokus der Schau steht der Hang zur Fläche, durch den sich die Wiener Moderne nicht nur vom Historismus, sondern auch vom verspielten und weit plastischeren Jugendstil französisch-belgischer Ausprägung abgrenzt. In Analogie dazu gilt der kuratorische Ansatz der Haut, was angesichts der überragenden Bedeutung der menschlichen Figur und des befreiten Körpers ergiebig ist. Diese Denklinie wird mit löblicher Strenge beibehalten, beginnend mit einem programmatischen Kontrast zwischen einem schwarzen Reitgewand von Sissi, das jeden Zentimeter Körper bedeckt, und der Vorliebe der Wiener Avantgarde für Leerstellen respektive lodernde Farben bei der Darstellung von Haut. Über die Themen Tätowierung und Anatomie mit Loos, Alois Riegl und Erich Zuckerkandl als Gewährsleuten geht es weiter zum Faszinosum der Aura, das auch im letzten Abschnitt des ersten Stocks bei ­Koloman Mosers eng umschlungenen Figuren noch nachwirkt. Im zweiten Stock springt das Thema der Hautnähe dann auf die Einrichtungsgegenstände der Wiener Werkstätten über und bietet viel Einblick. Schade nur, dass die Ausstellung hier in Gewichtung und Inszenierung in zwei Teile zerfällt, da die Exponate vor den hohen, nackten Wänden etwas gar isoliert wirken. Wie gern hätte man hier noch etwas mehr vom Ideal des Gesamtkunstwerks gespürt. 

Bis 
24.05.2020

→ Musée cantonal des Beaux-Arts, bis 24.5.; mit kurzem Backstage-Video: ↗ www.mcba.ch

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