Kemang Wa Lehulere — Zwischen Poesie und Brutalität

Kemang Wa Lehulere · Where Did The Sky Go? (Detail), 2020, 16 kleine Hände aus Bronze auf 16 Noten­ständern, 10 grosse Hände aus Bronze, Hundekopf aus Bronze, 5 Hunde aus Porzellan, ­Grösse ­variabel, Ausstellungsansicht Galerie Tschudi, Zuoz. Foto: Ralph Feiner

Kemang Wa Lehulere · Where Did The Sky Go? (Detail), 2020, 16 kleine Hände aus Bronze auf 16 Noten­ständern, 10 grosse Hände aus Bronze, Hundekopf aus Bronze, 5 Hunde aus Porzellan, ­Grösse ­variabel, Ausstellungsansicht Galerie Tschudi, Zuoz. Foto: Ralph Feiner

Kemang Wa Lehulere · Ausstellungsansicht Galerie Tschudi Zuoz. Foto: Ralph Feiner

Kemang Wa Lehulere · Ausstellungsansicht Galerie Tschudi Zuoz. Foto: Ralph Feiner

Besprechung

Anhand seiner Herkunft thematisiert Kemang Wa Lehulere strukturelle und gesellschaftliche Probleme von globaler Aktualität. Die Ausstellung ‹Where Did The Sky Go?› besticht durch  ihre Vielschichtigkeit und führt vor Augen, dass die Vergangenheit stets ein Teil der Gegenwart ist.

Kemang Wa Lehulere — Zwischen Poesie und Brutalität

Zuoz — Es ist kalt und grau. Ich wundere mich, wohin der sonst so blaue Engadiner Himmel verschwunden ist. ‹Where Did The Sky Go?›, fragt auch die Ausstellung des südafrikanischen Künstlers Kemang Wa Lehulere (*1984, Cape Town) in der Galerie Tschudi. Mit gefundenen, wiederverwendeten und neu zusammengesetzten Mate­rialien erzählt sein Schaffen von Gewalt, Träumen und verstummten Stimmen, ohne dabei moralisierend zu wirken. Skurril und surreal erscheinen die Installationen aus Reifen, Stühlen, Krücken, Abgüssen von Hunden und Händen. Letztere werfen nicht nur die Frage auf, wer welche Fäden zieht – womit sie auf gesellschaftspolitische Abhängigkeits- und Machtverhältnisse anspielen mögen –, sie dienen auch als Kommunikationsmedium. So buchstabieren weisse Hände auf Notenständern per Fingeralphabet die Frage ‹Where Did The Sky Go?›, während schwarze Hände mit diffusen Zeichen eine Antwort verwehren. Auf komplexe Fragen gibt es eben keine einfachen Antworten. Die Sprache als Vermittlerin wird zur Zeugin ihres eigenen Versagens.
Indem der Künstler scheinbar harmlose Objekte aufgreift und in assoziativer ­Weise zu neuen Konstellationen fügt, legt er tieferliegende kulturelle Bedeutungsebenen frei. Der Saaltext, verfasst vom südafrikanischen Kunstkritiker Athi Mongezeleli Joja, bietet Einblicke in die Apartheitsgeschichte Südafrikas und verbindet sie mit den symbolisch genutzten Gegenständen in Wa Lehuleres Installationen. So erhalten die Reifen als Instrumente für Lynchmorde und das damit verschränkte Schulmobiliar als Symbol eines repressiven Bildungssystems eine neue, bedrohliche Bedeutung. Doch auch ohne dieses Mehrwissen rufen die Werke ein Gefühl des Unbehagens hervor. Ambivalent wirken die ausgestellten Schäferhunde aus Porzellan. Sind sie Bedrohung, Schutz oder schweigende Zeugen? Welche Bedeutung nehmen sie in ihrer paradoxen Rolle als bevorzugte Hunderasse der Polizei während der Apartheid und Kitschobjekt in den Häusern der schwarzen Arbeiterklasse ein? ­Genauso ergreifend wie Wa Lehuleres Installationen sind seine Zeichnungen und Gemälde. Diesen wohnt – anders als den Objekten – eine tiefe poetischen Anmut inne. Die unterschwellige Brutalität hat einer lyrischen, traumhaften, fast hoffnungsvollen Komponente Platz gemacht. Ihre Werktitel erzählen von ‹Sky Dwellers›, einer ‹Celestial Cartography› und umrahmen mit ‹The Sky Sleeps in Your Eye› prägnant und eloquent den Kosmos der Ausstellung. Vielleicht ist das die Antwort auf die Frage nach dem verschwundenen Himmel. 

Bis 
08.05.2021
Ausstellungen/Newsticker Datum Typ Ort Land
KEMANG WA LEHULERE - Where Did The Sky Go? 19.12.202008.05.2021 Ausstellung Zuoz
Schweiz
CH
Autor/innen
Seraina Peer
Künstler/innen
Kemang Wa Lehulere

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