Flou
Flou
Lausanne — 1999, Les Rencontres de la photographie d’Arles: Erstmals überhaupt fand eine Ausstellung zum Thema Unschärfe in der Fotografie statt, mit 180 unscharfen Fotos von Amateur:innen. Jahrzehntelang war das Medium Fotografie dem Diktat der Schärfe unterworfen gewesen. Laut dem Kurator der damaligen Arles-Ausstellung, Serge Tisseron, der auch Psychiater ist, erinnert uns die Unschärfe hingegen daran, dass die Welt zunehmend weniger klar und deutlich ist, als wir sie gerne sähen.
2023 in Lausanne: Die Kuratorin von Photo Elysée und Fotografiespezialistin Pauline Martin versucht, eine «fotografische Geschichte der Unschärfe» zu schreiben. Sprach man vor 24 Jahren noch von «Unschärfen» (im Plural), ist heute die Rede von «Unschärfe», als ob es sich dabei um eine eigene Kategorie handeln würde. Die Unschärfe sei «ein wunderbarer Aufhänger, um die Konflikte und Spannungen zu beobachten, die sich bei der Suche nach einer Darstellungsweise abspielen», so Martin, wobei dies Darstellungen «je nach Epoche und Technik dem menschlichen Blick treu bleiben oder im Gegenteil idealisieren und verklären, wenn nicht gar entwirklichen oder sogar in die Nähe des Unsichtbaren gerückt werden sollen».
In den zwölf Abschnitten der didaktischen und umfangreichen Ausstellung ‹Flou› mit 400 Werken von 180 Künstler:innen sind die vielfältigen Verwendungen der Unschärfe und ihre verschiedenen Funktionen chronologisch von den Ursprüngen bis heute zu entdecken: Zunächst war da die Unschärfe des «Pictorialism», eine Bewegung im England und Amerika der 1890er-Jahre, die von den Theorien Peter Henry Emersons inspiriert wurde, oder die «wissenschaftliche Unschärfe» in den ersten Röntgenaufnahmen mit Aussagekraft. Weitere Kapitel sind der «kommerziellen» oder der «experimentellen Unschärfe» der Avantgarde in den 1920er- und 1930er-Jahren, wie sie Man Ray oder Eugène Atget praktizierten, gewidmet. Besonders spannend zu verfolgen ist der fruchtbare Dialog zwischen der Fotografie und anderen künstlerischen Genres wie Malerei, Skulptur und Film. Mit den jüngsten Beispielen aus der zeitgenössischen Kunst wird deutlich, dass die Unschärfe seit den 1990ern zu einem gängigen Ausdrucksmittel geworden ist, das mit politischer Bedeutung aufgeladen werden kann. So nutzt Christian Boltanski die Unschärfe, um den Verlust des kollektiven Gedächtnisses zu veranschaulichen.
Institutionen | Land | Ort |
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Photo Elysée | Schweiz | Lausanne |
Ausstellungen/Newsticker | Datum | Typ | Ort | Land | |
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Unschärfe — Eine Fotografische Geschichte | 03.03.2023 – 21.05.2023 | Ausstellung | Lausanne |
Schweiz CH |
Ingrid Dubach-Lemainque |
Florence Henri |
Murielle Michetti-Baumgartner |