Poems of Change — Alles muss sich ändern

Poems of Change, mit Werken von Cee Füllemann und Romy Colombe. K (Wand und stehende ­Skulpturen) und Lucas Erin (rechts, hängend), Ausstellungsansicht MCBA, Lausanne

Poems of Change, mit Werken von Cee Füllemann und Romy Colombe. K (Wand und stehende ­Skulpturen) und Lucas Erin (rechts, hängend), Ausstellungsansicht MCBA, Lausanne

Charly Mirambeau · La plage rose, 2023, Installation, Mischtechnik, 450 x 300 x 400 cm, Ausstellungsansicht MCBA, Lausanne

Charly Mirambeau · La plage rose, 2023, Installation, Mischtechnik, 450 x 300 x 400 cm, Ausstellungsansicht MCBA, Lausanne

Besprechung

Seit seiner Ankunft im Neubau am Bahnhof deckt das MCBA Lausanne die lokale Kunstszene mit der gastkuratierten Biennale ‹Jardin d’Hiver› ab. Die zweite Ausgabe gestaltet Simon Würsten Marin mit einer Gruppe gleichaltriger Kunst- und Kulturschaffender als eine Art Manifest für fluide Körper.

Poems of Change — Alles muss sich ändern

Lausanne — ‹Jardin d’hiver #2› ist zunächst eine Ode an die Musikerin, Dichterin und bekennende Lesbe Pauline Oliviero (1932–2016). Deren Wortklangkreation ‹Poem of Change›, 1990, die den Wandel als einzige Hoffnung feiert, lieferte nicht nur den Untertitel zur diesjährigen Biennale. Im Katalog schreibt die Kuratorin Marie DuPasquier über Olivieros Konzept des «Deep Listening», bei dem sogar interstellare Echos hörbar werden. Der Grafiker Ali-Eddine Abdelkhalek wiederum hat aus den Versen des ‹Poem› mit KI über hundert Illustrationen generiert, von denen eine das Ausstellungsplakat ziert – ein sich ins All schraubendes Flugobjekt? Weiter sind nach dem Kurator Simon Würsten Marin er und die mitwirkenden Kunstschaffenden etwa so alt wie das ‹Poem of Change› und zudem begeistert von Paul B. Preciado: Der bei Derrida und Butler ausgebildete Philosoph, dessen Geschlechtsoperation jüngst für Aufsehen sorgte, sieht im Hier und Jetzt ein «pharmakopornografisches Regime» am Werk, das Patriarchat, Kapitalismus und Kolonialismus fördert und dem durch lustvolle Appropriation stimulierender Techniken und Substanzen Widerstand zu leisten sei.
Die ausgestellten Werke der Biennale sind medial teil so opulent, dass durchaus eine Strategie erkennbar wird, sich subversiv mit dem dinglichen Überangebot zu konfrontieren. Ein Beispiel ist die Werkgruppe von Cee Füllemann und Romy Colombe. K, die farbenfrohe Keramikpflanzen und Neonschmetterlinge mit einem mit dem Bunsenbrenner an die Wand geflammten Text kombiniert. Überzeugender sind trotzdem die minimalistischen Arbeiten. Alfredo Aceto vermittelt genuin die uns nicht selten einholende Empathie mit Maschinen, wenn er in einem Video mit Körper und Stimme ein Dampfschiff auf dem Genfersee imitiert und so durch die noch leeren Ausstellungsräume «tuckert». Auch das meditative schwarz-weisse Video-Dip-tychon des Kollektivs cCORPORATE stellt das Eingesperrtsein in einem schwarzen Frauenkörper eindringlich dar mit Bildern einer jungen Tänzerin, die sich schleichend durch ein verhangenes Gemach sowie durch eine formal harte, aber auch spektakuläre Männerarbeitswelt bewegt. Mit dem Wandschlitz von Shirin Yousefi, durch den – nach und nach immer störender – kalte Luft in die Biennale strömt, wird sogar leise gefragt, ob der nunmehr seit Jahrzehnten zunehmend von oben wie unten als Allheilmittel beschworene «frische Wind» nicht auch mit gewissen unserer Probleme zusammenhänge. 

Bis 
21.05.2023

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