Zürich — In der Aufmerksamkeitsökonomie der Kunstwelt stehen Erstpräsentationen hoch im Kurs. Dabei kann ein Wiedersehen mit einem vertrauten Werk so belebend sein – ähnlich wie wenn man alte Freunde nach langer Zeit wieder trifft: Man schwelgt gemeinsam in Erinnerungen und überprüft dabei die Gültigkeit der Bindung von damals im Heute. Nicht alles übersteht diesen Test, die Videoinstallation, die Ragnar Kjartansson 2012 für das Migros Museum entwickelt hat, schon. ‹The Visitors› ist im Kontext der Sammlungsschau endlich wieder zu sehen, und sobald man den Teppichboden in der verdunkelten Halle im Obergeschoss betreten hat, steht man erneut im Bann dieser Klänge, die von neun Grossprojektionen entlang der Wände ausgehen. Jede Leinwand blickt in ein anderes Zimmer einer aus der Zeit gefallenen Villa, darin je eine Musikerin, ein Musiker. Über Kopfhörer miteinander verbunden, spielen sie einen mantrahaften Song. Die schöne Melodie ist einnehmend, natürlich. Doch es ist die Mischung aus Ernsthaftigkeit, Innigkeit und Humor, gepaart mit technischer Präzision und der Fähigkeit, diesen Moment greifbar zu machen, in dem aus Einzelnen – Musiker:innen wie Zuschauer:innen – eine Gemeinschaft wird, womit der Isländer auch elf Jahre nach der ersten «Begegnung» noch überzeugt.