Vidya Gastaldon und Aernout Mik im Kunstmuseum

Vidya Gastaldon · Apparat/Dolly Rocker, 2004 (in Zusammenarbeit mit John Tremblay), Patchwork, Stickerei, Wolle und Stoff

Vidya Gastaldon · Apparat/Dolly Rocker, 2004 (in Zusammenarbeit mit John Tremblay), Patchwork, Stickerei, Wolle und Stoff

Besprechung

Symbolische Landschaften ungleicher Denkart: Die französische Künstlerin Vidya Gastaldon (*1974) sieht in den Stimmungsspiegel einer magisch belebten Natur. Der Niederländer Aernout Mik (*1962) reflektiert Gesellschaftszustände im Landschaftsbild.

Vidya Gastaldon und Aernout Mik im Kunstmuseum

Magische Kräfte wurden dem Hauswurz einst nachgesagt: Gewitter und Hexen halte er fern. Sempervivum, immer lebend, lautet der Gattungsname der robusten Sukkulente. «Sempervivum» heisst auch eine Arbeit von Vidya Gastaldon, der die Idee einer geisterhaft aufgeladenen Natur deutlich anzusehen ist: Steine und Pilze gruppieren sich zu einem lockeren Kreis mit arabesken Ausläufern. In Grautönen gehalten, würde die Installation düster wirken, wären die Kiesel nicht aus Stoff und Wolle, Stickgarn und Schaumstoff gefertigt, was dem Zauberkreis das Niedliche einer Kindertheaterdekoration verleiht. Dem widersprechen wiederum einige giftig bunte Pflänzchen im Kreis, die an Rausch und Zauberei, halluzinogene Pilze und wilde Hexentänze denken lassen.

Dieser dem Wunder, dem geheimen Wesen der Dinge zugewandte Blick dominiert das Schaffen der in Genf lebenden Künstlerin, die sich der Acid-House-Szene und der Flower-Power-Ideologie der 1970er Jahre nahe fühlt. Durch die Thuner Ausstellung zu gehen, fühlt sich an, als führe ein enthusiastisches Kind einen mit glänzenden Augen durch seinen kleinen grossen Kosmos. Sieh nur, wie schön die Welt ist! Das kann bezaubernd sein, wie in «Sempervivum» oder dem ähnlich gearteten Pilzkreis «Toadstools», 2001. Oder humorvoll, wie in «Apparat/Dolly Rocker», 2004, einem mit zahllosen Troddeln und Quasten verzierten Stoffüberwurf für einen Porsche, der den rasanten Sportwagen in ein sofakissenartiges Schmuseobjekt verwandelt. Es kann aber auch ins Harmlos-Naive abdriften wie in einigen Zeichnungen oder dem «C?ur de Guru», 2005, einem riesigen Herz aus lauter rosaroten Stoffherzen, das wie die Visualisierung eines überzuckerten Optimismus, einer weltfernen Kiffer-Glückseligkeit wirkt.

Nicht die Magie der Natur, sondern die Ökonomie ihrer Verwüstung bannt Aernout Mik auf Video. «Osmosis and Excess» zeigt amerikanisch-mexikanische Grenzlandschaften, die von stumpfem Vorteilsdenken geprägt sind. In den weiten Hügeln wuchert auf mexikanischer Seite ein uferloser Autofriedhof. Viele US-Bürger laden ihre Altwagen dort illegal ab und sparen so lästige Gebühren. Mik lässt den Kamerablick leicht schräg über die Landschaft gleiten, die zum Sinnbild menschlicher Gleichgültigkeit und Kleingeistigkeit wird. Schafe grasen neben den rostenden Wracks, Kinder spielen im Schlamm dieses schier endlosen Niemandslandes und weissbekittelte Apotheker warten vor ihren gut bestückten Regalen auf Kundschaft. Mik lässt die Apotheken im mexikanischen Grenzland, die von US-Amerikanern als günstige Bezugsquelle für Schlankheitspräparate, Schlafmittel und Potenzpillen geschätzt werden, wie klinisch weisse Traumbilder aus den Schrotthügeln wachsen und erzeugt so eine beklemmende Wirtschaftslandschaft. Mit Katalog.

Bis 
17.06.2006

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