Luis Camnitzer
Luis Camnitzer
Dass konzeptuelle Kunst so sinnlich, lustvoll und humoristisch sein kann, haben wir kaum gewusst. Da sind an der Wand Glasscherben, Steine oder Schrauben fixiert und daneben Papierschnitzel aufgespiesst. Die Zettel sind mit Begriffen wie «Der Wahn», «Der Zweifel», «Die Ursache» beschrieben. «Arbitrary objects and their titles», 1979, heisst die Arbeit, und automatisch assoziiert man die einzelnen Begriffe miteinander. In einem verglasten Kasten, in dessen Mitte ein Stab montiert ist, steht «Reale Grenze der Linie, welche die Realität von der Fiktion trennt» geschrieben. Hier und anderswo zeigt sich, dass Sprache und ihre Analyse essenziell für Luis Camnitzer (*1937, Lübeck, aufgewachsen in Montevideo und seit 1964 in New York lebend) sind. Bei aller formalen Schlichtheit sprühen die Werke von poetischem und überraschungsreichem Hintersinn.
Zu Camnitzers anarchistischer Haltung gehört, dass er jung beschloss, nicht von der Kunst zu leben, denn nichts fürchtet er so sehr, wie ökonomisch vereinnahmt zu werden. Die Wertvermehrung von Kunst demonstriert er anhand von zwei grauen, grossformatigen, monochromen Wandbildern. Das nicht ganz perfekte, vom Künstler gemalte «Original mural painting» ist mit $ 22'400 veranschlagt, während das Duplikat laut beigefügter Rechnung von einem Malergeschäft ausgeführt wurde und
CHF 554.55 kostet. Abgesehen von der Anspielung, dass die dem Minimalismus verpflichteten Künstler ihre Werke meist industriell herstellen liessen, werden hier die Mechanismen des Kunstmarktes sowie der Kult um das Original auf die Schippe genommen. Dass in dieser Arbeit verschiedene Bedeutungsebenen aufeinandertreffen, ist ganz typisch für Camnitzers Strategie. Dazu äusserte er sich in einem Gespräch mit Hajo Schiff, Hamburg 1997: «Das Politische ist immer dabei, aber nicht notwendig an erster Stelle. Ich setze die Konditionen wie im Theater und hoffe, dass dann für den Betrachter ein Spiel beginnt. Das Werk passiert im Raum zwischen Titel und Bild, es geht um Evokation, nicht um Information.» Evokativ sind in der Tat viele Werke, so die Arbeiten «Silence/Repression», «The book of holes», 1977, oder die eindrückliche Serie «Verbrennung 1., 2., 3. Grades», die verschieden intensiv angebrannte Druckbuchstaben auf Papier zeigt und selbstredend die menschliche Haut meint. Wie so oft schlägt hier eine formale, ästhetische Faszination in eine existenzielle Problematik um, deren Thematisierung für Camnitzer, der sich als Künstler vor allem als ethisches und politisches Wesen begreift, den einzig gangbaren Weg darstellt.
Ausstellungen/Newsticker | Datum | Typ | Ort | Land | |
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Luis Camnitzer | 11.03.2010 – 04.07.2010 | Ausstellung | Zürich |
Schweiz CH |
Dominique von Burg |
Luis Camnitzer |