Uriel Orlow — Theatrum Botanicum
In multimedialen und narrativen Arbeiten beschäftigt sich Uriel Orlow mit der Kolonialisierung Südafrikas und der Apartheid. Spuren des eurozentrischen Denkens und andauernder Gewalt hat Orlow selbst in der Pflanzenwelt entdeckt. Die Ausstellung macht auf abstruse Zusammenhänge aufmerksam.
Uriel Orlow — Theatrum Botanicum
St. Gallen — «Mandelas Gold» nennt man die Pardiesvogelpflanze seit der Ernennung von Nelson Mandela zum Präsidenten von Südafrika. Während seiner achtzehnjährigen Gefangenschaft bepflanzte Mandela einen Garten und versteckte darin das Manuskript seiner später veröffentlichen Biografie. Im selben Zeitraum wurde die einem exotischen Vogelkopf ähnelnde Blüte im Kirstenbosch National Botanical Garden gezüchtet, die der Kolonialist Cecil Rhodes nach Südafrika gebracht hatte. Um die Pflanzen vor gefrässigen Eichhörnchen zu schützen, müssen sie mit Maschendraht eingewickelt werden, der so wiederum an Mandelas Gefangenschaft erinnert. Dies ist eine von vielen fesselnden Geschichten, die Uriel Orlow (*1973, Zürich, lebt in London und Lissabon) während seiner Aufenthalte in Südafrika vernahm. Dort ist er der Kolonialgeschichte mittels Oral History und Archivrecherchen nachgegangen. Anlass war die Einladung einer Kuratorin nach Kapstadt und ihre Begegnung im Botanischen Garten. Gegründet um 1913, gilt er als einer der schönsten der Welt und einer der ersten, die sich einheimischen Pflanzen widmen. Dem Künstler fiel gleich auf, dass die Schildchen noch über zwanzig Jahre nach der Apartheid mit englischen und lateinischen Pflanzennamen beschriftet sind, was ein eurozentrisches System mit universalem Anspruch suggeriert. Orlows Erkenntnis, dass Pflanzen in die Kolonialgeschichte miteinbezogen sind, inspirierte ihn zum ‹Theatrum Botanicum›. Auf die Katalogisierung von Pflanzen, die indigene Namen missachtete und lokales botanisches Wissen mangels Austauschs mit Einheimischen auslöschte, verweisen die wissenschaftskritische Soundinstallation ‹What Plants were Called Before They Had a Name›, die ein Archiv von einheimischen Pflanzen bildet, und die enzyklopädische Installation ‹Echoes›. Die unscharf an die Wand projizierten Bilder aus Herbarien fungieren als Träger der historischen Erinnerung botanischer Erforschungen im Kontext der Kolonialisierung. Die Frage stellt sich, ob ethnologische Sammeltätigkeit den kolonialistischen Raubbau nicht fortsetzt. Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts, als Europa die Kolonialisierung intensivierte, nahm die Zahl der Völkerkundemuseen zu. Die Kunstwerke und -objekte der neu entdeckten Kulturen wurden ihrem Kontext entrissen und als Kuriositäten dargestellt. Diese Isolierung führte zu dauerhaften Klischees und Projektionen eigener Kultur- und Lebensideale, als Beweis für die Überlegenheit westlicher Kultur und Zivilisation.
Institutionen | Land | Ort |
---|---|---|
Kunst Halle Sankt Gallen | Schweiz | St. Gallen |
Ausstellungen/Newsticker | Datum | Typ | Ort | Land | |
---|---|---|---|---|---|
Uriel Orlow «Theatrum Botanicum» | 14.04.2018 – 17.06.2018 | Ausstellung | St. Gallen |
Schweiz CH |
Dominique von Burg |
Uriel Orlow |