Philippe Parreno, «May»
Philippe Parreno zählt gegenwärtig zu den schillerndsten Künstlerkuratoren. In der Kunsthalle werden nun einzelne repräsentative Aspekte seines komplexen Werks aus den letzten zwanzig Jahren in einem varietéhaften, mit niedlichen Ungeheuren bestückten Ambiente gezeigt.
Philippe Parreno, «May»
Empfangen wird der Besucher von einer Leuchtreklame, «The Boy from Mars», die zusammen mit der Zeichnung eines hybriden Männleins den gleichnamigen, ebenfalls in der Ausstellung gezeigten Film von 2003 ankündigen könnte. Nicht nur Leuchtreklamen locken ins Kino, sondern auch Markisen mit blinkenden roten oder weissen Lämpchen verheissen Eintritt in die Welt der Varietés. Die Figur des raubtierähnlichen und doch rührenden Marsmännleins, das unseren Kinderfantasien entsprungen sein könnte, ähnelt den skurrilen, monsterartigen Wesen, die in einer Reihe von Zeichnungen dargestellt sind. Der schwedische Kinderbuchillustrator Johan Olander hat sie für Philippe Parreno (*1964, Oran/Algerien, lebt in Paris) entwickelt. Den niedlichen Ungeheuern, so einem Gnom in entsetzter Betrachtung seines schlanken, verlängerten Schattens oder drei bizarren Robotern, verhilft Parreno zu einem spannenden Eigenleben - wie ihm dies auch bei früheren Arbeiten wunderbar gelang. Erinnern wir uns nur an die mädchenhafte Manga-Figur «Ann Lee» im Projekt «No Ghost just a Shell», das Parreno zusammen mit Pierre Huyghe 2002 für die Kunsthalle Zürich realisierte. Der japanischen Comic-Figur hatten die beiden Künstler eine neue Identität verliehen, nachdem sie ihr Copyright von der japanischen Agentur «Kworks» erworben hatten. Zusammen mit Dominique Gonzales-Foerster, Rirkrit Tiravanija, Carsten Höller, Liam Gillick u.a. realisierten sie aus der digitalen Vorlage Videoinstallationen, Bilder und eine Neonarbeit, wodurch «Ann Lee» Kontur und Charakter erhielt. In der jetzigen Ausstellung äussert sich das Eigenleben der gezeichneten Fantasiefiguren in ihrer Kommunikation; sei es in Form von Glaslautsprechern, sei es als Sprechblasen aus schwarzen Ballons, die wie sich ballende Gewitterwolken an der Decke hängen.
Parreno arbeitet mit Vorliebe mit Zeichen aus der Populärkultur. Er überträgt sie in das Format der visuellen Kunst und transformiert sie zu autonomen Gestalten mit einer eigenen Identität. Die retrospektiv angelegte Einzelausstellung mit anschliessenden Stationen im Centre Pompidou in Paris, im Irish Museum of Modern Art in Dublin und im Bard College, New York, 2010, oszilliert zwischen Theater-, Film- und Ausstellungswelten. Trotz der flimmernden Lichtinstallationen ist sie karg disponiert. Der Besucher wird auf eine Reise zwischen Fiktion und Realität geschickt, während seine Erwartungen an Ausstellungsräume dabei subtil untergraben werden.
Institutionen | Land | Ort |
---|---|---|
Kunsthalle Zürich | Schweiz | Zürich |
Dominique von Burg |
Philippe Parreno |