Ai Weiwei
Ai Weiwei
Düsseldorf — Es ist eine Kunst der Superlative, die grosse Sichtbarkeit ist ihre Stärke und zugleich ist die in der schieren Fülle, Masse, Vielzahl behauptete Autorität ihre Schwachstelle. Ai Weiwei (*1957, Beijing) ist Künstler und Kritiker, und auch gerade in dieser Doppelrolle wird er oft kritisiert. Die umfangreiche Schau des wohl bekanntesten Dissidenten Chinas bespielt in Düsseldorf beide Häuser der Kunstsammlung NRW (K20 und K21) und versammelt Werke aus vier Jahrzehnten. Da sind neben den in Handarbeit aus Porzellan gefertigten über 60 Millionen Sonnenblumenkernen, ‹Sunflower Seeds›, 2010, auch die wieder gerade gebogenen und in ihren 142 Transportkisten aufgebahrten Armierungseisen, ‹Straight›, 2008–2012, aus den wegen baulicher Mängel eingestürzten Schulen in der Provinz Sichuan, in denen über 5000 Kinder den Tod fanden. Das sind 164 Tonnen Stahl, die das Herz erweichen. Oder ‹Laundromat›, 2016: vierzig Kleiderständer mit 2046 Kleidungsstücken, die nach der Auflösung des Übergangslagers Idomeni in Nordgriechenland zurückgelassen und vom Künstler und seinem Team gesammelt, gewaschen, geflickt, gebügelt und katalogisiert wurden. Globale Migrationsbewegungen oder auch das Verbot der freien Meinungsäusserung sind die Themen, die den Künstler umtreiben, der selbst unter staatlichen Repressionen im Exil gelebt und gelitten hat. Dass politischer Aktivismus die meisten Künstlerkarrieren eher nicht befördert, dürfte Ai Weiwei freilich klar sein. Dennoch meldet er sich stets neu zu Wort, lautstark und unübersehbar. Neben vielen anderen Ehrungen und Auszeichnungen hatte er 2017 für seinen Kampf gegen Unterdrückung und Zensur den Bambi in der Kategorie «Mut» erhalten. Fraglos ist es mutig, wenn er auf Katastrophen und Schicksale hinweist, auf die Defekte unseres globalen Zusammenlebens. Mutig aber nicht allein, weil das Regime seines Heimatlandes ihn einsperren und foltern lässt, sondern weil er auch um das Risiko weiss, als Künstler nicht mehr ernst genommen zu werden. Mag sein, dass nicht all seine künstlerischen Interventionen gelungen sind, dass das Gleichgewicht zwischen humanem Gestus und Selbstinszenierung oftmals nicht stimmt … doch auf die Frage «In was für einer Gesellschaft möchten wir leben?» hat Ai Weiwei entschieden eine Antwort. Er weiss und sagt es laut, wie wir nicht leben sollten.
Institutionen | Land | Ort |
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Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen | Deutschland | Düsseldorf |
Katja Behrens |
Ai Weiwei |